„Kick’n Stones“ von The Stomp’n Ramblers ist eine jener Platten, die Blues nicht als stilisierte Genre-Deko verstehen, sondern als gelebte Alltagssprache. Statt blank polierter Studiobreitseiten gibt es hier Indie- und Retro-Vibes, handgemachte Gitarrenmusik und Songs, die mehr können, als nur die richtigen Tonleitern abzufahren.
Vom Lockdown zur Kneipenbühne
Die Geschichte von „Kick’n Stones“ beginnt im Schatten der Pandemie. Owen Mancell und Ryan Stone spielten damals noch bei The Blind Pilots. Während Owen Mancell auf den Northern Beaches von Sydney saß und Ryan Stone nahe Brunswick Heads lebte, flogen Songideen als Sprachmemos und App-Nachrichten hin und her. Aus diesem digitalen Ping-Pong entstand langsam ein neues Projekt: The Stomp’n Ramblers.
Die frisch geschriebenen Songs wurden nicht im Elfenbeinturm getestet, sondern dort, wo Blues hingehört: in Brauereien, Bars, kleine Läden. Das Publikum reagierte so deutlich, dass aus ein paar Skizzen ein klares Ziel wurde – ein vollwertiges Album mit Songs, die prägen, wer diese beiden Musiker sind. Aus rund zwanzig Entwürfen blieben am Ende elf Stücke übrig, die es auf „Kick’n Stones“ schafften.
Eingespielt wurde das Ganze zum großen Teil in den Damien Gerard Studios, einzelne Elemente entstanden zusätzlich im The Factory Studio in Mona Vale. Die finalen Mixes von Russell Pilling verleihen der Platte genau die Wärme und Erdung, die sie braucht. Veröffentlicht wurde das Album über Froghorn Records – und klingt genau so unabhängig und organisch, wie man es sich von einem Indie-Label erhofft.
Indie-Retro statt Blues-Tapete
Was „Kick’n Stones“ sofort von vielen modernen Bluesproduktionen absetzt, ist der Sound: wunderbar Indie, herrlich Retro, weit weg vom glattgebügelten Edelstudio-Blues großer Namen. Der Kern der Musik sind handgemachte Gitarren und eine Rhythmik, die buchstäblich mit dem Fuß in der Erde steckt – Slidegitarre, Stomp Box, Stimme und Mundharmonika.
Owen Mancell steuert eine raue, aber kontrollierte Stimme bei, die die Wärme und Schwere des Old-School-Blues trägt, ohne je in Karikatur oder künstliches Knarzen zu kippen. Seine Gitarrenarbeit ist konsequent handwerklich: Fingerpicking statt Shred, Groove statt Solo-Showcase. Ryan Stone legt mit der Mundharmonika Linien darüber, die nicht als Effekt, sondern als zweite Stimme funktionieren. Mal jault sie, mal dröhnt sie, mal wispert sie – immer dort, wo der Song Luft oder Druck braucht.
Die Einflüsse liegen offen auf dem Tisch: Von Sonny Terry & Brownie McGhee über RL Burnside und Muddy Waters bis zu den Backsliders – aber The Stomp’n Ramblers kopieren nicht, sie destillieren. Die Kompositionen und Arrangements sind durchdacht, aber nie verkopft. Hier trifft songwriterisches Können auf eine Ästhetik, die bewusst nach Holz, Staub und Röhrenamp klingen will.
Elf Songs zwischen Zügen, Flaschen und Politik
Gleich der Opener „Unkind“ macht klar, wohin die Reise geht. Die akustische Gitarre perlt in einem feinen Fingerpicking-Muster, während die Mundharmonika mal klagt, mal aufschreit. Nach wenigen Takten ist klar: Hier sind Profis am Werk, die Blues nicht nur spielen, sondern fühlen. Die Nummer legt die Messlatte hoch – und der Rest des Albums stolpert nicht darunter durch.
„Train“ nimmt das Grundrezept auf, lässt aber mehr Raum zwischen den Noten. Der Song rollt nicht mit brachialer Gewalt, sondern mit zurückhaltender Spannung. Man hört das Klappern der imaginären Gleise fast zwischen den Schlägen.
Der Titeltrack „Kick’n Stones“ sitzt als Herzstück der Platte genau dort, wo er hingehört. Der Song wirkt wie das Manifest des Albums: ein Midtempo-Groove, der lässig vor sich hintritt, während Text und Melodie immer wieder kleine Haken schlagen. Die Retro-Anmutung wirkt nie angestaubt, sondern wie eine bewusste Entscheidung gegen kurzlebige Trends.
Mit „Confusion“ ziehen The Stomp’n Ramblers die Schrauben leicht an. Der Song wirkt dichter, nervöser, ohne den Rahmen der reduzierten Instrumentierung zu sprengen. „Buried In A Bottle“ taucht dagegen tief in Atmosphäre und Erwartung ein: Hier schwingen Flaschengeister und Barlichter mit, ohne dass es in überdramatisierte Balladen-Kitschigkeit abgleitet.
„Reap What You Sow“ und „Vanity“ setzen auf erzählerische Stärke. Beide Stücke zeigen, wie sicher das Duo im Songwriting agiert: Die Refrains wirken sofort vertraut, die Strophen bleiben trotzdem spannend. Mit „Way Back Home“ gönnt sich das Album eine kürzere, beinahe skizzenhafte Momentaufnahme – wie ein kurzer Blick zurück über die Schulter.
Spätestens bei „Politician“ verschwimmen Zeit und Ort. Der Song könnte ebenso gut aus den 50ern stammen wie aus einem Kommentar zur Gegenwart. Der Blues wird hier zum zeitlosen Medium für Frust, Beobachtung und unterschwellige Wut. Man weiß nicht so genau, in welchem Jahr oder in welchem Land man sich befindet – nur, dass die Kritik noch immer sitzt.
Im letzten Drittel führen „The Wall“ und „Last Kiss Goodbye“ das Konzept konsequent zu Ende. „The Wall“ packt die Hörer:innen mit einer langsam wachsenden inneren Spannung, während „Last Kiss Goodbye“ als längstes Stück der Platte Raum für einen würdigen Abschied lässt. Hier zeigt sich noch einmal, wie sehr die Stärke von The Stomp’n Ramblers in der Kombination aus Arrangementgefühl und emotionaler Direktheit liegt.
Zurück zum Kern des Blues
Blues hat sich in den letzten Jahrzehnten in viele Richtungen verzweigt – nicht immer zum Vorteil des Genres. Virtuosen, die Tonleitern auswendig lernen und das Ergebnis „Blues“ nennen, gibt es mehr als genug. „Kick’n Stones“ geht den entgegengesetzten Weg: zurück zum Kern, weg vom Hochglanz.
Statt millionenschwerer Business-Blues-Karikatur gibt es hier zwei Musiker, die ihre Songs im kleinen Club getestet haben, bevor sie im Studio landeten. Die Platte ist ein Werk der Wiederverbindung – mit der eigenen Historie aus The Blind Pilots, mit der gemeinsamen Chemie als Duo und mit einer Blues-Tradition, die eher Schweiß und Holzgeruch als Designeranzug und Festival-Mainstage kennt.
Die Produktion hält sich bewusst aus dem Weg: kein übertriebener Druck, keine aufgeblasenen Drums, keine „Bigger Than Life“-Attitüde. Das Indie- und Retro-Gefühl von „Kick’n Stones“ ist kein Vintage-Filter, sondern Ergebnis von Entscheidungen: echte Räume, echte Takes, echte Fehler, die man im besten Sinne hört.
„Kick’n Stones“ von The Stomp’n Ramblers ist ein Album für alle, die Blues nicht als Genre-Schablone, sondern als lebendige Ausdrucksform schätzen. Die Mischung aus Indie-Retro-Sound, handgemachter Gitarrenarbeit, starken Kompositionen und klugen Arrangements zeigt ein Duo, das sein songwriterisches Können nicht ausstellen muss, weil es in jedem Song mitschwingt.
Perfekt ist die Platte nicht: An der einen oder anderen Stelle ähneln sich Tempo und Stimmung, und wer radikale Brüche oder stilistische Experimente sucht, wird hier eher behutsam als brachial abgeholt. Aber genau das macht den Charme von „Kick’n Stones“ aus: Es ist ein in sich geschlossenes Werk, das lieber konsequent eine eigene Atmosphäre aufbaut, als allen gefallen zu wollen.
Unsere Wertung:
➤ Songwriting: 8 von 10 Punkten
➤ Komposition: 8 von 10 Punkten
➤ Musikalische Fähigkeit: 9 von 10 Punkten
➤ Produktion: 10 von 10 Punkten
➤ Gesamtwertung: 8 von 10 Punkten
Unser Fazit:
Eine Runde Sache!
Ein starkes, warmes und ehrliches Blues-Album, das die Wurzeln respektiert, ohne in Nostalgie zu ertrinken – und das zeigt, dass zwei Menschen mit Gitarre, Stomp Box und Mundharmonika immer noch mehr zu sagen haben können als so manche perfekt polierte Großproduktion.
Mehr zu The Stomp’n Ramblers im Netz:
The Stomp’n Ramblers bei Facebook:
https://www.facebook.com/thestompnramblers
The Stomp’n Ramblers bei Spotify anhören:
https://open.spotify.com/artist/6Z0szkAlh2kR2iCPth1ZXY

![BROENNI – Taming The Winds (Audio & Video) [ Hard Rock | Rock | Blues | Singer & Songwriter ]](https://sonicrealms.de/wp-content/uploads/2017/11/Bild_2023-09-03_214502066.webp)
![T. G. COPPERFIELD – The Worried Man: Ganz großes Entertainment – Langweilig ist anders! (Audio & Video) [ Rock’N’Roll | Bluesrock | Americana ]](https://sonicrealms.de/wp-content/uploads/2023/08/cover-Kopie.jpg.webp)