LGBT+ Ein sicherer Raum für das wahre Ich: Ein Gespräch mit Michael Kensy, einem Coming Out Coach mit psychologischer Ausbildung – Das Interview [ Kultur | Gesellschaft | Sexualität ]

In einer Welt, in der das Anderssein oft noch mit Vorurteilen begegnet wird, sind Mut und Selbstverständnis gefragt, um den Schritt des Coming Outs zu wagen. Doch was, wenn man nicht weiß, wo und wie man anfangen soll? Wenn Ängste und Unsicherheiten den Weg versperren? Genau hier setzt die Arbeit von Michael Kensy an. Als Coming Out Coach hat er sich darauf spezialisiert, queeren Menschen auf ihrer persönlichen Reise zu sich selbst beizustehen. In unserem Gespräch gewährt er uns tiefe Einblicke in seine wichtige Arbeit, teilt bewegende Geschichten und zeigt auf, wie jeder von uns dazu beitragen kann, eine offene und akzeptierende Gesellschaft zu schaffen. Tauchen Sie mit uns ein in die faszinierende Welt eines Menschen, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Leben anderer positiv zu verändern. Homo- Bi-Sexuelität und auch Transsexualität sind keine entgegen ungebildeter Annahmen eben keine psychologischen Störungen. Warum man sich dies immer wieder einreden muss (Selbsttäuschung?) ist an dieser Stelle mal ein anderes Thema. Erfahren Sie nun mehr über Michael Kensy und seine Arbeit:

Hallo Michael, vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst, mit uns über das Thema Coming-Out und Homophobie zu sprechen. Wie bist du persönlich dazu gekommen, ein Coming-Out-Coach zu werden?

Sehr gerne, ich freue mich, dass Interesse an meiner Arbeit besteht.
Durch einen schweren Fahrradunfall 2020 hatte ich durch die damit verbundene Zwangspause Zeit, mir Gedanken über meine eigene Zukunft zu machen.
Anderen Menschen zu helfen und sie zu unterstützen, war mir schon immer ein wichtiges Anliegen und so entschied ich mich, nebenberuflich eine Coaching-Ausbildung zu machen, um andere Menschen bei ihren Herausforderungen zu unterstützen. Zusätzlich habe ich dann noch eine Ausbildung in Psychotherapie und in Verhaltenstherapie gemacht, weil ich nicht da stoppen wollte, wo das Coaching aufhört, sondern Menschen wirklich in ihrer komplexen Gänze helfen wollte.
Die Idee, mit dieser Arbeit Menschen bei ihrem Coming-out zu unterstützen, hatte ich schon recht früh, weil ich mich an mein eigenes Coming-out sehr gut erinnern kann und noch genau weiß, wie emotional, schmerzhaft, turbulent und schwierig es war. Damals hätte ich mir jemanden gewünscht, der mich ein Stück in diesem Prozess begleitet und mir die Zuversicht gibt, dass ich so wie ich bin absolut OK bin.
Auch heute noch leiden unfassbar viele Menschen unter Ängsten vor ihrem Coming-out und haben das Gefühl, es alleine nicht schaffen zu können. Das geht mir selbst unfassbar nahe, da ich es traurig finde, wenn Menschen der Überzeugung sind, dass sie sich für etwas Natürliches, wie ihre sexuelle Orientierung, schämen müssen.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie befreiend es ist, wenn man den Schritt gewagt hat, sich in seinem Umfeld zu outen und was für ein tolles Leben weg vom Versteckspiel und mentalen Einschränkungen entstehen kann. Dieses Gefühl will ich unbedingt so vielen Menschen wie möglich weitergeben, dass sie selbst die Erfahrung machen, dass sie so wie sie vollkommen OK sind und dass sich ein lebenswertes und erfülltes Leben auch für sie ergeben kann. Zusätzlich trage ich damit zu gesellschaftlichem Wachstum hin zu mehr Offenheit, Vielfalt und Toleranz bei.

Was sind deiner Meinung nach die größten Herausforderungen, mit denen Menschen konfrontiert werden, wenn sie ihr Coming-Out erleben?

Das ist eine sehr vielschichtige Frage, denn es gibt je nach Phase oder konkreter Situation unterschiedliche Herausforderungen.
Die erste Herausforderung besteht erstmal darin, sich selbst bewusst zu werden, dass die eigene Sexualität von der vorgelebten Norm der Heterosexualität abweicht. Dieser Prozess des “sich eingestehen” verläuft je nach angeborenem Temperament, familiäre Strukturen, sozialem Umfeld, zugehörige Kultur usw. unterschiedlich und kann auch unterschiedlich lange dauern.

Das eigentliche Problem in dieser Phase ist: “Du weißt nicht, was du nicht weißt”. Wenn du dir selbst nicht bewusst bist, dass du eine nicht heterosexuelle Orientierung hast, weil du dich zwanghaft versuchst in die Norm zu pressen, dann weißt du gar nicht, was eigentlich mit dir los ist. Du merkst nur auf eine sehr unterschwellige Art und Weise, dass etwas nicht stimmt, dass du nicht glücklich bist, dass du dich nirgendwo wirklich zugehörig fühlst. Aber der eigentliche Kern des Problems, nämlich die sexuelle Orientierung, bleibt erstmal verborgen.

Ist diese Herausforderung einmal überwunden, kommt die Nächste, nämlich das eigene Umfeld. Wenn man sich selbst seine Sexualität eingestanden hat, weiß das Umfeld davon noch nichts. Kontrovers wird hier immer wieder diskutiert, ob das Umfeld überhaupt etwas von der eigenen sexuellen Orientierung wissen muss und ob es überhaupt jemanden etwas angeht. Sprich: “Muss man sich überhaupt outen?”

Meine Antwort dazu lautet:
Wenn es in irgendeiner Form Leid verursacht, dann ist es nicht nur sinnvoll, sondern unbedingt erforderlich, sich damit auseinanderzusetzen und sich zu outen, weil man sonst ein Leben voll psychischem Leid lebt und daran kaputt gehen kann.
Die meisten Menschen, die sich gerne outen wollen, empfinden große Angst vor dem Coming-out. Die größte Angst ist dabei, von der eigenen Familie, den Freunden oder generell von seinem Umfeld abgelehnt zu werden. Eine Urangst, die bei allen Menschen vorhanden ist und hier besonders stark getriggert wird.
Andere Herausforderungen sind z.B. familiäre Verpflichtungen. Wenn jemand bereits verheiratet ist und Kinder hat. Oder auch die Angst vor beruflichen Konsequenzen, die mit einem Coming-out einhergehen kann.
Ganz schwierig ist es für Menschen, die in einem religiösen, kulturellen oder generell homophoben Umfeld aufgewachsen sind, in dem queere Menschen aktiv verfolgt, angefeindet und sogar bestraft werden. Hier ist die Angst viel größer und der Leidensdruck unendlich viel höher.

Wie können Freunde und Familie unterstützend reagieren, wenn jemand in ihrem Umfeld sein Coming-Out hat? Welche Ratschläge würdest du geben?

Es gibt den schönen Begriff des “Welcome-out”. Er beschreibt eine Grundeinstellung, dass jemand zwar nicht unbedingt weiß, ob in seinem Umfeld ein Coming-out bevorsteht, aber durch das Kommunizieren und Handeln signalisiert, dass jeder, mit einer anderen sexuellen Orientierung willkommen ist und keine Angst haben muss.

So könnten Familienangehörige sich z.B. in Gesprächen positiv zu queeren Themen äußern und signalisieren, dass sie es schön finden, wenn Menschen sich so zeigen können, wie sie wirklich sind oder auch mal selbst auf eine Pride-Parade gehen und hinterher davon berichten.

Es geht also darum, eine vertrauensvolle, verständnisvolle und wertschätzende Atmosphäre zu schaffen, in der sich alle Menschen gut aufgehoben und sicher fühlen können.

Wovon ich unbedingt abrate, ist, jemanden auf das Thema hin zu drängen. Selbst, wenn Familie oder Freunde eine starke Ahnung haben, dass jemand in ihrem Umfeld queer sein könnte, kann es den inneren Entwicklungsprozess des Menschen zunichte machen, wenn jemand zu früh auf das Thema angesprochen wird und vielleicht sogar dazu gedrängt wird, sich damit zu beschäftigen, ohne dass er überhaupt schon bereit dafür ist. Lieber die oben erwähnte Welcome-Atmosphäre schaffen, so dass die Entwicklung unterstützt wird, ohne dass aktiv eingegriffen werden muss.

Welche Rolle spielt die Gesellschaft bei der Schaffung eines sicheren Umfelds für Menschen, die ihr Coming-Out haben möchten?

DIe Gesellschaft hat einen immensen Einfluss auf die Schaffung eines sicheren Umfelds. Wir Menschen leben als soziale Wesen in Gemeinschaften, in denen ein Miteinander

ermöglicht wird. Damit das gesund funktioniert, bedarf es gemeinsamer Regeln und Werte, an die sich die Menschen halten, damit das Zusammenleben funktioniert und ein Wachstum entstehen kann. Wenn in so einer Gemeinschaft positive Werte existieren und gelebt werden, wie z.B. dass jeder Mensch wichtig, richtig und willkommen ist, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Religion, sexueller Orientierung, Bildungsstand usw., dann schafft das automatisch Vertrauen und damit ein sicheres Umfeld für jeden.

Wir leiden heutzutage allerdings noch sehr an einer gesellschaftlichen Prägung, die 100e Jahre alt ist und eben kein so positives Menschenbild verfolgt hat. Zusätzlich vermischen sich durch die Globalisierung immer mehr Kulturen und es entstehen Konflikte, wenn gesellschaftliche Werte unvereinbar miteinander sind.

Die Gesellschaft gerade in Deutschland hat in den letzten 20 Jahren enorme Fortschritte hin zu einem positiven Menschenbild gemacht. Aber es gibt eben auch viel Rückschritt und bedenkliche Entwicklungen.
Etwas, was sich jeder bewusst werden darf, ist: Die Gesellschaft an sich existiert nicht wirklich. Es ist kein festes Objekt, was man in die Hand nehmen kann. Es ist eine kollektive Vorstellung in den Köpfen der Menschen und genau hier kann also auch gesellschaftlicher Fortschritt entstehen. Wenn jeder Einzelne erkennt, dass er alleine durch Umdenken und anders Handeln langfristig einen Unterschied bewirken kann.

Wie können wir als Gesellschaft aktiv gegen Homophobie vorgehen und die Akzeptanz von LGBTQ+-Personen fördern?

Homophobie ist ein sehr facettenreiches Phänomen. Um Homophobie wirklich nachhaltig und aktiv zu bekämpfen, müssten psychologische Wirkmechanismen Teil der Allgemeinbildung werden und an Schulen unterrichtet werden.
Menschen, die homophob sind, haben durch ihre Erziehung und Sozialisierung, gelernt, dass Homosexualität etwas anbormales und bekämpfenswertes ist. Wer in einem Umfeld aufwächst, in dem permanent abwertend und schlecht über Homosexualität gesprochen wird, der übernimmt das für sich natürlich. In sozialen Gruppen wird diese Prägung dann noch verstärkt, weil sich eine Gruppe gemeinsam einen Feind aussucht, um die Gruppe in sich zu stärken. Da sind Minderheiten wie z.B. schwule Menschen bestens geeignet dafür. Dadurch lernt jeder aus der Gruppe, dass man in diese Homophobie mit einstimmen muss, um auch weiterhin dazuzugehören. Es handelt sich aber eben trotzdem um eine Meinung, die fremd übernommen, aber nie hinterfragt wurde.

Ich habe so oft die Erfahrung gemacht, dass homophobe Menschen plötzlich ihre Meinung grundlegend ändern können, wenn sich in ihrem Umfeld jemand z.B. als schwul outet, mit dem sie sich sehr gut verstehen. Dann wird den meisten erstmal bewusst, dass sie eine völlig verdrehte und falsche Vorstellung von Homosexualität hatten und dass sie vor allem die Wahl haben, sich selbst eine eigene Meinung darüber zu bilden.

Wenn in Schulen mehr psychologisches Grundwissen vermittelt würde und jeder selbstständig erkennt, dass er eine Wahl hat, die eigenen Prägungen auch zu hinterfragen und sich eine eigene Meinung zu bilden, dann würde es vermutlich auch viel weniger Queerdenker oder radikal denkende Menschen geben.

Für mehr Akzeptanz von LGBTQ+-Personen können wir als Gesellschaft aber heute schon eine Menge tun. Je mehr Menschen eine Welcome-out-Mentalität entwickeln und je mehr queere Menschen sich zudem trauen, sich in ihrem Umfeld zu outen, desto mehr lernen wir

Menschen direkt in unserer näheren Umgebung, wie menschlich und normal wir alle sind und dass es nichts zu befürchten gibt.
Dann passiert ja automatisch gesellschaftlicher Fortschritt, weil er direkt in den Köpfen der Menschen im Alltag ankommt. Das schafft dann dauerhaft auch ein sicheres Umfeld für ein Coming-out.

Gibt es bestimmte Strategien, die du Menschen empfiehlst, die mit homophoben Reaktionen konfrontiert werden, nachdem sie sich geoutet haben?

Es kommt natürlich darauf an, um was für homophobe Reaktionen es sich handelt. Wenn es um körperliche Gewalt geht, dann ist die einzig richtige Strategie, sich umgehend in Sicherheit zu bringen, um Hilfe zu rufen und das Ganze unverzüglich zur Anzeige zu bringen.

Wenn es um verbale Reaktionen geht, dann hilft am besten ein mentales Training. Der wichtigste Grundsatz, den sich jeder, der Opfer einer homophoben Reaktion wird, einverleiben sollte ist:
“Das hat nichts mit mir zu tun!”

Ich erlebe täglich, dass ich abwertende, homophobe Kommentare unter meinen Social-Media-Beiträgen erhalte. Das ist verletzend und tut erstmal weh, aber beinhaltet die Chance auf persönliches Wachstum.
Meine wichtigste Empfehlung hier ist: Sich nicht auf das Niveau des Angreifers herunter begeben und nicht mit Gegendruck, Wut oder eben auch Hass zu reagieren.
Das beste Mittel ist ein Perspektivwechsel. Sich in jemanden hineinzuversetzen, der gerade eine homophobe Reaktion hinterlassen hat, mag zwar viel Widerstand hervorrufen, aber im Prinzip steckt dahinter auch nur ein Mensch, der versucht, seine eigenen Überzeugungen zu verteidigen. Jeder von uns ist in seiner eigenen Realität gefangen. Den anderen von unserer Realität krampfhaft zu überzeugen führt in eine Sackgasse. Akzeptieren ist das Stichwort und Mitgefühl zeigen. Die Gesellschaft ist auf einem guten Weg. Menschen, die andere aufgrund ihrer Sexualität angehen, werden immer weniger, auch wenn das nicht den Anschein macht. Wenn man sich auf die Wenigen zu fokussiert, die dank der Internet-Anonymität lauter zu sein scheinen, als die Unterstützer, dann führt dies zu einem verzerrten Bild der Wirklichkeit. Es gibt nämlich zahlenmäßig deutlich mehr Unterstützer als Hater.
Am besten ist es, mit jemandem darüber zu reden, der einen unterstützt. So mache ich das z.B. Wenn ich mal wieder einen Kommentar lese, der mich emotional sehr trifft, teile ich diesen Kommentar mit guten Freunden und erzähle ihnen, dass dieser Kommentar mich gerade runterzieht. Durch ihre Unterstützung komme ich dann schnell wieder da raus und erlebe außerdem, dass meine Unterstützer viel zahlreicher sind als die Hater.

Wie wichtig ist es, dass Schulen und Bildungseinrichtungen LGBTQ+-sensible Programme und Ressourcen anbieten?

Ich halte das für sehr wichtig. Es gibt zwar immer mehr gut sichtbare Vorbildern für junge Menschen, aber in meinen Augen noch viel zu wenige. Menschen die öffentlich zu sich stehen und damit anderen das Gefühl geben, dass es völlig OK ist von der heterosexuellen Norm abzuweichen.

LGBTQ+ sensible Programme in Schulen und Bidlungseinrichtungen gibt es auch schon,

aber auch hier sehe ich noch viel Potenzial. Solche Programme würden zum einen den Menschen helfen, die ihre Sexualität gerne erforschen möchten, weil sie das Gefühl haben nicht ausschließlich heterosexuell zu sein. Zum anderen würden solche Programme auch allen Menschen in Schulen und Einrichtungen signalisieren, dass sich für LGBTQ+-Menschen eingesetzt wird und dass sie ebenso ein Teil der Gemeinschaft sind. Das schafft bei allen Sichtbarkeit und Akzeptanz.

Welche Bedeutung hat der Begriff „Homophobie“ und wie können wir sie besser verstehen, um gegen Vorurteile anzukämpfen?

Der Begriff Homophobie ist in meinen Augen falsch gewählt und beschreibt nicht das, was die meisten darunter verstehen. Eine Phobie ist eine pathologische Angststörung, bei der eine bestimmte Situation oder ein Objekt unwillkürliche, also nicht kontrollierbare Angstsymptome auslösen. Homophobe Menschen empfinden aber eher Ekel, Abneigung oder Wut gegenüber homosexuellen Menschen, die dann zu verbaler oder körperlicher Gewalt gegen diese Menschen führen kann. Homofeindlichkeit wäre also ein treffender Begriff. Dahinter verbirgt sich natürlich auch eine gewisse Angst. Homophobe Menschen haben unbewusst Angst vor Homosexuellen, weil sie sich einfach nicht damit auskennen. Sie kennen in der Regel keinen homosexuellen Menschen und wissen daher gar nicht, wie normal jeder von ihnen ist. In ihren Köpfen kreisen Klischees und Bilder, die sie ungefiltert in den Medien aufgegriffen haben. Und alles, was man nicht kennt, macht erstmal Angst.

Um Homophobie bzw homophobe Menschen zu verstehen, muss man sich bewusst machen, was z.B. bei einer homophoben Reaktion wirklich passiert. Ich möchte das gerne mal an meinem Beispiel “Hasskommentare unter Social Media Beiträgen zu queeren Themen” verdeutlichen.
Homophobe Menschen, die selbst nichts mit dem Thema Homosexualität zu tun haben, wenden ihre kostbare Zeit und enorm viel Energie auf, um in Beiträgen, die absolut keinen Mehrwert für sie haben, Hass zu verbreiten. Unsere Zeit und Energie ist begrenzt! Die spannende Frage ist also: “Warum verschwenden diese Leute dann so viel davon für Themen, die nichts mit ihnen zu tun haben”?
Ganz einfach. Diese Menschen fühlen sich subjektiv bedroht und wenden daher die Energie und Zeit auf, um sich zu verteidigen. Die Bedrohung bezieht sich auf ihr persönliches Wertesystem, das durch Andersdenkende ins Wanken gerät. Sie befürchten, dass das, woran sie so fest glauben, weniger Wert ist, wenn diese Werte durch andere Denkweisen aufgeweicht werden. Das beste Beispiel ist die Ehe für alle im Jahr 2017. Den heterosexuellen Menschen wurde nichts weggenommen. Viele von ihnen hatten aber Angst, dass die Ehe dadurch weniger Wert ist, weil sie nun mehr Menschen zugänglich ist. Und das beziehen sie logischerweise dann auf sich selbst und denken dann, dass sie persönlich weniger Wert sind. Ein klassisches Selbstwert Thema also.
Dass das natürlich völliger Unsinn ist, und eine krasse Denkverzerrung, ist diesen Menschen aber nicht bewusst. Sie sind so sehr in ihrer verdrehten Realität gefangen, dass sie um jeden Preis verhindern wollen, dass ihre (fremd übernommenen) Überzeugungen an Wert verlieren.
Man muss sich bei homophoben Attacken also immer bewusst machen, dass dort gerade eine arme gefangene Seele um ihren eigenen Selbstwert kämpft (wo eigentlich gar kein Kampf notwendig wäre, weil niemand bedroht wird). Für mich als vermeintliches Opfer dieser Attacke bedeutet das im Umkehrschluss: “Nicht ich bin das Problem, sondern der Angreifer ist für sich selbst das Problem“. So werden wir zum Beobachter eines psychologischen Schauspiels, wo jemand den Kampf gegen seine eigenen Dämonen öffentlich austrägt.
Und das hat unser Mitgefühl verdient, denn vor dem Coming-out waren die meisten Menschen auch an diesem Punkt. Sie haben die Gesellschaft oder andere Menschen in ihrem Umfeld für das Dilemma verantwortlich gemacht, dass sie sich nicht outen konnten, Dabei haben auch sie nur mit ihren eigenen Dämonen gerungen und kein Mensch im Außen war jemals dafür verantwortlich.

Welche Rolle spielen Medien und Unterhaltungsindustrie bei der Darstellung von LGBTQ+-Charakteren und wie können sie zur Schaffung eines inklusiveren Klimas beitragen?

Die Unterhaltungsindustrie macht das in meinen Augen mittlerweile sehr gut. In vielen Serien von Netflix, Amazon Prime, Disney + und Co. tauchen häufig queere Charaktere auf, die ganz natürlich in die Geschichte eingebunden sind, ohne auf übertriebene Klischees zurückzugreifen. So entsteht der Eindruck, dass es völlig normal ist, dass es in jedem Umfeld LGBTQ+ Menschen gibt.
Die Medien an sich (also sowohl Zeitungen als auch Social Media) sind mittlerweile leider zu unübersichtlich, um klar zu sagen, wie ihre Rolle ist. Ich persönlich habe den Eindruck, dass sich gerade große Verlage ihrer Verantwortung bewusst sind und daher nicht absichtlich Informationen verbreiten, die den Fortschritt der LGBTQ+-Bewegung untergraben könnten. Ich bin aber auch der Meinung, dass noch viel mehr und prominenter über solche Themen berichtet werden sollte, damit Themen wie Coming-out immer präsent bleiben und bei jungen Menschen eine Vorbildfunktion haben. Das größte Problem in meiner Kindheit und Jugend war z.B. schlicht, dass es keine Informationen gab. Das Thema Homosexualit existierte nicht oder wurde, wenn, dann nur im negativen Sinne als Schimpfwort verwendet. Da haben Medien natürlich aufgrund ihrer Reichweite die Verantwortung, diese Informationslücke bestmöglich zu schließen.

Welche Ressourcen und Unterstützung stehen Menschen zur Verfügung, die sich in einer konservativen oder homophoben Umgebung befinden und Schwierigkeiten haben, sich zu outen?

Das ist ein Thema, mit dem ich immer wieder zu tun habe. Es kommen sehr oft Menschen zu mir, die Hilfe suchen, sich aber nicht outen können, da ihnen durch ihr Umfeld wirklich echte Gefahr droht. Das Dilemma hier ist offensichtlich: Auf der einen Seite steht z.B. die Familie, von der man abhängig ist, auf der anderen Seite ein freies Leben, welches man gerne leben möchte. Alle wünschen sich, das miteinander vereinbaren zu können. In den meisten Fällen geht das tatsächlich auch und die vorgestellten Ängste sind größer, als am Ende die Realität. Aber es gibt durchaus hier und da ein Umfeld, wo das nicht möglich ist. In muslimisch geprägten Familien und Gemeinschaften z.B. aber auch hier in Deutschland in krichlich konservativ geprägten Kreisen.

Ich habe hier eine sehr starke Meinung, für die auch sehr oft auf angefeindet werde: Das eigene freie Leben ist wichtiger als der Einfluss und die Abhängigkeit von anderen Menschen. Selbst wenn es die eigene Familie ist. Ein Leben in Angst zu leben, dass das eigene Umfeld mich “entdecken” könnte, gepaart mit der Überzeugung, sich von dem

Umfeld aber nicht lösen zu können, führt zu einer psychischen Abwärtsspirale, die ein Leben voller Leid und Schmerzen bedeutet. Das Leben ist aber dazu da, gelebt zu werden und nicht, um ausgehalten zu werden, damit man andere Menschen nicht vor den Kopf stößt. Das bedeutet im Extremfall eben auch, dass man sich von seiner Familie lösen darf, wenn diese einen nicht unterstützt.

Es gibt in vielen größeren Städten Beratungsstellen, die als erste Anlaufstelle dienen können, um sich zu orientieren. Diese Beratungsstellen sind auch damit vertraut, wie das Vorgehen ist, wenn tatsächlich eine akute Gefahr vorliegt. Wir haben in Deutschland ein sehr gutes Sozialsystem, was jeden Menschen unter jeder Bedingung auffangen kann, wenn er das denn möchte. Auch Online erhält man schnell Hilfe und Beratung. Darüber hinaus kann man sich immer an Internet-Gemeinschaften wie z.B. CO30 (Coming-out für Menschen ab 30+) wenden, um sich auszutauschen oder eben Coaches wie mich aufsuchen, um aktiv 1:1 Unterstützung über einen längeren Zeitraum zu erhalten.

Wie können wir das Bewusstsein für die Bedeutung von Coming-Out stärken und Menschen ermutigen, ihre wahre Identität zu zeigen?

Indem mehr Menschen darüber reden. Gerade prominente Persönlichkeiten sollten ihr Coming-out immer öffentlich machen und zeigen, wie befreiend das ist, damit noch mehr Menschen dazu ermutigt werden, ihre eigene Identität zu zeigen. Im Prinzip sollte jeder, der sein Coming-out hatte, offen darüber reden. Das ist ein kontroverses Thema, da viele der Meinung sind, dass es niemanden etwas angeht. Auf der anderen Seite würden sie aber denjenigen, die sich noch nicht getraut haben, sich zu outen, ein Vorbild sein und damit geht es andere doch etwas an.

Was sind einige der positiven Auswirkungen, die ein erfolgreiches Coming-Out haben kann, sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene?

Individuell steht ganz klar die psychische Gesundheit im Vordergrund. Sich zu verstecken, sich dauerhaft verstellen zu müssen, in Angst zu leben, entdeckt zu werden und nicht so leben und lieben zu können, wie man es sich wünscht, ist eine toxische und destruktive Art zu leben. Es kommt nicht von ungefähr, dass statistisch gesehen viel mehr queere Menschen an psychischen Erkrankungen leiden als andere. Wer hingegen ein erfolgreiches Coming-out hinter sich hat, der hat die Möglichkeit, wirklich frei zu sein. Er befreit sich von psychischem Leid wie Depression oder Ängste, weil er eben nicht mehr vorgeben muss, jemand zu sein, der er aber gar nicht ist. Vor allem haben die Menschen dann die Möglichkeit wirkliche Liebe zu finden und zu erfahren, nach der sich doch jeder so sehr sehnt. Theoretisch können das Menschen, die ungeoutet sind auch. Aber sie haben es viel schwerer, jemanden zu finden und mal ehrlich: Eine Liebe im Verborgenen ist keine bedingungslose vollumfängliche Liebe. Sie ist mit einem Versteckspiel belegt, was immer einschränkt. Möchte nicht jeder gerne seine Partnerin oder seinen Partner mit zu Freunden, Familie und Festen bringen? Möchte man nicht auch, dass andere sehen, dass man zusammengehört? In meinen Augen hat ein Coming-out nur Vorteile.

Gesellschaftlich hat es den positiven Effekt, dass die Vielfalt wächst und die Akzeptanz für jeden einzelnen Menschen, so individuell er auch sein mag, wächst. Eine menschliche Gemeinschaft, in der jeder so sein darf, wie er wirklich ist, unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung, Herkunft, Religion oder Kultur, ist in meinen Augen ein sehr erstrebenswertes Ziel.

Wie können wir die Diskriminierung von LGBTQ+-Personen am Arbeitsplatz bekämpfen und für eine inklusivere Arbeitsumgebung sorgen?

Viele Firmen tun das schon, indem sie extra Programme und Abteilungen für Inklusionsarbeit eingerichtet haben. Wir leben mittlerweile in einer Zeit, in der es sich ein Unternehmen nicht mehr leisten kann, als queerfeindlich oder homophob zu gelten, weil das in der modernen Informationswelt rufschädigend wäre und sich negativ auf ihren wirtschaftlichen Erfolg auswirken könnte. Das bedeutet leider nicht, dass alle Unternehmen auch aktiv etwas für Inklusion tun. Natürlich könnte man jetzt mit politischen Vorgaben um sich werfen, aber das halte ich für den falschen Weg. Ein Unternehmen sollte nicht gezwungen werden, aktiv für die LGBTQ+-Community etwas zu tun, sondern sollte das freiwillig tun, weil es ihren eigenen Werten entspricht. Anreizsysteme, die Engagement belohnen sind hier viel hilfreicher oder Siegel mit einer gewissen Aussagekraft, wie es schon einige gibt. Darüber hinaus liegt es natürlich an den Mitarbeitern selbst eine Atmosphäre für Inklusion zu schaffen, indem sie vorleben, dass jeder Mensch willkommen ist.

Welche Rolle spielt das Thema Coming-Out in verschiedenen Kulturen und wie können wir kulturelle Barrieren überwinden?

Kulturelle Barrieren sind wohl eines der komplexesten Themen, mit denen wir in der heutigen Zeit zu kämpfen haben. Es gibt so viele Einflussgrößen, dass es unmöglich ist zu überblicken, welche Faktoren alles da mit rein spielen.
Als Beispiel: Kulturen, die z.B. muslimisch geprägt sind, haben in ihrem kollektiven Bewusstsein ein sehr patriarchisches Menschenbild fest verankert. Es wird an den alten Modellen festgehalten, in denen Männer das starke Geschlecht sind, keine Schwäche zeigen dürfen, Gewalt ein gutes Mittel ist und Frauen sich unterzuordnen haben. Homosexualität wird dort so sehr geächtet, dass Menschen um ihr Leben fürchten müssen. Das trifft natürlich nicht auf alle Menschen dieser Kultur zu, prägt aber das Gesamtbild merklich. In Deutschland macht es das sowohl für Menschen dieser Kulturen als auch einheimischer Kulturen schwerer, sich zu outen, weil noch größere Ängste herrschen, dass man dafür angefeindet wird.

Was in Deutschland die Lage zunehmend kompliziert macht, sind die großen Flüchtlingsströme sowie Einwanderungen. Hier vermischen sich nämlich jetzt Kulturen, die in vielen Punkten ganz entgegengesetzte Werte verfolgen. Durch fehlgeschlagene Integration sehen wir uns nun der Herausforderung gestellt, dass kulturelle Werte aufeinander prallen, die jede Seite um jeden Preis verteidigen möchte. Um diese Barrieren zu überwinden, muss viel mehr darüber und miteinander geredet werden. Das ist allerdings eine Sache, die es in Deutschland zusätzlich noch komplizierter macht. Das Ansprechen einer Flüchtlingskrise oder kulturelle Schwierigkeiten von Personen mit Migrationshintergrund wird direkt mit einem politisch rechten Stempel versehen, was dann mit Rechtsextremismus verwechselt wird. Daher traut sich kaum noch jemand, solche Dinge anzusprechen, um nicht ins Abseits gedrängt zu werden. Das ist tragisch, denn wenn Dinge nicht angesprochen werden, können sie auch nicht zum Besseren verändert werden.Leider hat es zudem die Politik versäumt, einen Rahmen zu schaffen, in dem Menschen ordentlich integriert werden können. So blieben viele eingewanderte Gruppen unter sich, fühlten sich ausgeschlossen, nicht beachtet und hatten demnach auch keinen Grund, einen Konsens für eine gemeinsame Kultur zu finden. Das Ergebnis sind nun riesige Barrieren zwischen Kulturen und keine Lösung in Sicht.

Barrieren können nur abgebaut werden, wenn Menschen aus unterschiedlichen Kulturen miteinander in Kontakt kommen und ehrliche Kompromissbereitschaft herrscht. Die deutsche Kultur kann so unfassbar von fremden Kulturen profitieren und angereichert werden. Es muss daran gearbeitet werden, Menschen aus anderen Kulturen nicht mit einem Feindbild zu versehen, sondern als Chance für kulturellen Austausch und Wachstum.Die Politik ist hierbei in der Pflicht alltagstaugliche und menschliche Integrationsprojekte aufzubauen und zu fördern

Wie können wir junge Menschen unterstützen, die mit ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität kämpfen, aber noch nicht bereit sind, sich zu outen?

Aufklärung ist nach wie vor der wichtigste Faktor. Auch wenn es bereits viele Angebote gibt und Aufklärungsgruppen in Schulen tätig sind, fehlt es in meinen Augen an ausreichend Aufklärungsarbeit, um alle Menschen zu erreichen. Wenn z.B. Schüler direkt in ihrem schulischen Umfeld lernen, dass sexuelle Orientierung vielfältig ist und auf einem breiten Spektrum liegt, dann fällt es ihnen leichter zu akzeptieren, dass eine rein heterosexuelle Orientierung gar nicht erstrebenswert ist, wenn man sich anders fühlt und dass das vollkommen OK ist. Wichtig ist aber eben auch darauf zu achten, dass jeder Schüler hier eine akzeptierende Haltung entwickelt, auch wenn es sie nicht direkt betrifft. Wenn man sich die Wahrnehmung und Toleranz der Schüler heute ansieht und mit der Wahrnehmung von vor 20-30 Jahren vergleicht, dann ist schon viel in die richtige Richtung passiert. Es braucht aber meiner Meinung nach noch mehr Aufklärung, die auf eine breitere Masse an Schulen trifft. Dabei müssen gar nicht mehr Menschen in die Schulen gehen. Durch das Internet und Medien kann Aufklärungsarbeit auch Online passieren. Dafür muss es dann entsprechende Förderungen geben, die durch die Politik unterstützt werden kann.

Gibt es spezifische Herausforderungen oder Bedenken, die ältere LGBTQ+-Personen beim Coming-Out haben und wie können wir sie unterstützen?

Die größten Bedenken von älteren LGBTQ+-Menchen sind immer “Bin ich nicht schon zu alt, um mich zu outen?”. Das ist ein automatischer Gedanke, der erstmal nachvollziehbar ist, denn immerhin haben sie ja in den Jahren davor versucht, sich in eine heterosexuelle Norm zu zwängen. Gerade queere Menschen, die sich der heteronormativen Norm stark angepasst haben, einen gegengeschlechtlichen Partner geheiratet haben, bereits Kinder haben, vielleicht eine gute berufliche Karriere hingelegt haben, haben das Gefühl, in ihrem Leben gefangen zu sein und sich daher nicht outen zu können.

Die Gedankenstruktur, die dahinter liegt, ist ungefähr so in der Art aufgebaut:
“Wenn ich mich jetzt oute, dann sehen alle (und ich), dass mein Leben bisher eine Lüge war und ich verliere Vertrauen und Ansehen und die Menschen in meinem Umfeld wenden sich von mir ab, ich werde beschimpft und beschämt und verliere alles und stehe völlig alleine da”.
Im Prinzip steckt hinter jeder Angst vor dem Coming-out also immer die Angst vor Ablehnung gepaart mit katastrophalen Folgegedanken, völlig alleine dazustehen. Was hierbei interessant ist: Dieser Grundgedanke ist völlig unabhängig von dem Alter oder der Situation der betroffenen Person. Die Grundstruktur der Gedanken ist immer vorhanden, nur der konkrete Inhalt verändert sich, je nach Umfeld und Situation.
Ein Familienvater mit 2 Kindern, einem Haus und einer Führungsposition denkt sich vielleicht “Wenn ich mich oute, werde ich meinen Job verlieren, meine Familie will mich nicht mehr sehen, meine Freunde wenden sich von mir ab und mein Leben ist danach völlig ruiniert.“

Der Schüler hat vielleicht den Gedanken “Wenn ich mich oute, werde ich von den anderen Schülern gemobbt”.
Auf den ersten Blick hat der Familienvater mehr Grund, Angst zu haben und sich nicht zu outen. Wenn man das aber genau betrachtet, dann ist es in beiden Fällen einfach nur ein Gedanke. Beide Gedanken haben dieselbe energetische Ladung im Gehirn und beide Gedanken lösen dieselben Angstgefühle in derselben Intensität im Körper aus. (Bei einem Jugendlichen vielleicht sogar noch extremer, da ihm noch einige Selbstregulationsfähigkeiten des Nervensystems fehlen).

Mögliche Folgen auf das Leben sind dabei wiederum nur Gedanken, die sich ja aber noch gar nicht bewahrheitet haben und nur im Kopf existieren.
Es geht also vor allem darum, dass sich jeder Mensch darüber bewusst wird, welche Macht die eigenen Gedanken über einen haben. Um jetzt speziell ältere Menschen zu unterstützen, braucht es also ein Angebot, welches diese Menschen speziell anspricht und erreicht. Z.B ein Coach oder Therapeut, der sich auf ältere LGBTQ+-Personen spezialisiert und daher gezielt Werbung für diese Zielgruppe schalten kann. Auch Selbsthilfegruppen oder Beratungsstellen, die sich speziell auf ältere Menschen spezialisieren, sind denkbar. Die Arbeit mit ihnen unterscheidet sich am Ende dann aber gar nicht von der mit den jüngeren Menschen, da ja das Grundproblem ja identisch ist.

Welche Rolle spielen Coming-Out-Geschichten in der LGBTQ+-Community und wie können sie dazu beitragen, andere zu ermutigen?

Geschichten sind das beste Mittel, um andere dazu zu ermutigen, sich zu outen. Storytelling ist in aller Munde und das nicht ohne Grund. Menschen haben schon immer durch Geschichten ihre Erfahrungen weitergegeben und daher empfinden wir Geschichten auch als spannend und interessant.

Wenn jemand, der ungeoutet ist, Coming-out Geschichten im Internet liest oder hört, dann wird er sich mit der einen oder anderen Geschichte identifizieren können. Das bedeutet, es entsteht eine gewisse Verbundenheit und Gedanken wie “Hey, der stand ja auch mal da wo ich gerade stehe” und “Wenn er es geschafft hat, dann kann ich das auch”. Zusätzlich bieten diese Geschichten ja auch Inspiration für ein “Wie”. Oft fehlt es Menschen, die sich outen wollen, an konkretem Vorgehen und Fähigkeiten. Wenn man aber erfahren kann, wie andere es geschafft haben, dann kann man das als Modell und Inspiration fungieren, um es selbst auch so zu versuchen.

Welche rechtlichen Schutzmaßnahmen sollten vorhanden sein, um Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität zu bekämpfen?

Es mangelt nicht an rechtlichen Schutzmaßnahmen in Deutschland, um Diskriminierung zu bekämpfen. Das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz sowie strafrechtlicher Schutz vor Volksverhetzung und Beleidigung, aufgrund der sexuellen Orientierung sind vorhanden. Wenn überhaupt, mangelt es an der Durchsetzung dieser Maßnahmen, wenn Opfer durch Polizei oder öffentliche Stellen z.B. nicht ernst genommen werden.

Ein viel größeres Problem stellt in meinen Augen der zu lasche Umgang mit Diskriminierung im Internet dar. Unternehmen wie Meta z.B. sind verpflichtet, auf ihren Social Media Plattformen wie Facebook oder Instagram diese Gesetze durchzusetzen, indem sie Diskriminirung verhindern, diskriminierende Inhalte löschen und mit Behörden zusammenarbeiten, wenn es um die Aufklärung von Straftaten in dieser Rubrik geht. Hier wird in meinen Augen zu wenig Kapazität seitens der Unternehmen in die Antidiskriminierung gesteckt, um zu verhindern, dass Menschen öffentlich angefeindet werden. Ich habe allerdings die Hoffnung, dass bei allem Verruf, künstliche Intelligenz hier einen sehr großen Mehrwert bieten kann, indem die Inhalte diskriminierender Beiträge bereits vor der Veröffentlichung erkannt und verhindert werden.

Michael, wie können wir uns als Verbündete der LGBTQ+-Community besser informieren und unterstützend handeln?

Informieren kann man sich am besten bei LGBTQ+-Menschen selbst. Jeder Mensch weiß am besten, was gut für sich ist und wir sprechen gerne mit anderen Menschen über uns und unseren Lebensstil, wenn wir das Gefühl haben, dass ein ernsthaftes und aufrichtiges Interesse daran besteht. Natürlich gibt es unzählige Seiten im Internet, die darüber hinaus aufklären und viel Informationsmaterial bereitstellen, aber wirkliche Unterstützer brauchen am Ende die Menschen selbst. Das kann schon etwas kleines sein, dass man sich z.B. bei Hasskommentaren auf die Seite der queeren Menschen stellt und zeigt “Hey, es gibt nicht nur Hater, sondern auch Unterstützer”.

Was sind einige der Erfolgsgeschichten, die du als Coming-Out-Coach erlebt hast, und was können wir von ihnen lernen?

Ich habe bereits mit vielen Menschen an ihren Coming-out-Themen gearbeitet und bin fasziniert von der Vielfalt an Themen, die ein Coming-out mit sich bringt. Jeder Mensch, der in irgendeiner Form Angst vor seinem Coming-out hat, bringt ganz individuelle Eigenschaften und eine einzigartige Ausgangssituation mit.

Dabei geht mir jedes Mal das Herz auf, wenn ich Nachrichten von meinen Klienten bekomme oder sie mir in einer Stunde von ihren Erfolgen berichten, dass sie es z.B. geschafft haben, sich bei einer bestimmten Person zu outen und alles gut gegangen ist.
Hier mal zwei Beispiele:

Ein Klient von mir, er ist bisexuell, verheiratet mit einer kleinen Tochter, stand vor der Herausforderung, sich in seinem Umfeld zu outen. Am Anfang war die Vorstellung, sich bei seinen Freunden zu outen, völlig undenkbar und er hatte eine gedankliche und emotionale Blockade, wenn er nur daran dachte. Nachdem wir einige Zeit zusammen gearbeitet haben, habe ich ihn gezielt auf ein Treffen mit seinen Freunden vorbereitet, wo er sich outen wollte. Am nächsten Tag schrieb er mir eine E-Mail, dass ihn das Training so sicher gemacht hat, dass er es wirklich geschafft hat sich zu outen. Alle haben sehr positiv reagiert und er berichtete mir von einem Gefühl der Befreiung, als ob eine schwere Last von ihm genommen wurde und er das erste Mal in seinem Leben er selbst sein konnte. Von dem Fallhabe ich auch in meinem Newsletter ausführlich berichtet, weil ich fand, dass er eine schöne Inspiration für andere ist.

Einem anderen Klienten habe ich geholfen, sich bei seiner Familie zu outen. Was auch für ihn vorher undenkbar erschien, war nach unserer Arbeit kaum mehr Überwindung. Er wohnte noch zuhause bei seinen Eltern und wollte das Versteckspiel beenden, hatte aber Angst vor den Konsequenzen. Nachdem wir intensiv zusammen erarbeitet haben, was in jeder denkbaren Situation seine Möglichkeiten waren, fühlte er so viel Selbstwirksamkeit, dass er auf alles vorbereitet war. Er outete sich zuerst bei seinem Bruder und erhielt direkt eine positive Rückmeldung. Das ermutigte ihn, dass er dann weiter machte.

Ich habe vor allem zwei DInge aus meiner Arbeit gelernt:

  1. Wenn jemand die Coming-out-Situation, die ihm Angst bereitet, genau verstandenhat und für alle noch so schlimmen Katastrophenfälle eine Lösung erarbeitet hat, dann ist der Ausgang am Ende zweitrangig und die eigene Befreiung steht im Vordergrund ganz unabhängig von der Reaktion der anderen.
  2. In keinem einzigen Fall ist jemals ein schlimmes Katastrophenszenario eingetreten. Die Ängste vor der schlimmen Zukunft bleiben aus und es geht in der Regel gut aus. Selbst bei denen, die mir sehr sicher prophezeit haben, dass es bei ihnen anders ist.

Daher kann ich jedem, der Angst vor dem Coming-out hat, nur Mut machen. Beschäftigt euch mit der Angst, erarbeitet euch einen Plan für jede Eventualität und werdet Zeuge, dass ihr selbst in der Lage seid, euch zu befreien und die katastrophale Zukunft ausbleibt.

Hast du Erfahrungen gemacht, in denen Menschen, die zuvor homophob erschienen, sich plötzlich geoutet haben? Wie würdest du solche Situationen erklären? Immerhin haben sich ja schon Anti-Gay Aktivisten wie John Smith oder auch sogenannte Homo-Heiler plötzlich geoutet….

Ich persönlich habe die Erfahrung noch nicht in meinem Umfeld gemacht, aber durch diverse Medien habe ich immer wieder davon gehört.
Psychologisch gesehen ist das tatsächlich recht gut erklärbar. Im Prinzip ist es ein innerer Kampf, der verlagert wird.

Die Bildung der eigenen Identität ist ein komplexes Wechselspiel zwischen der eigenen Grundidentität sowie gesellschaftlichen Normen aus Erziehung und Sozialisierung des Umfeldes. Hier treffen im Laufe der Entwicklung ganz unterschiedliche Überzeugungen aufeinander. Wenn jemand z.B. unterschwellig feststellt, dass er auf dasselbe Geschlecht steht, er durch seine Erziehung und sein Umfeld aber ganz eindringlich gelernt hat, dass Homosexualität etwas schlechtes, ekliges, abnormales ist und solche Menschen diskriminiert, abgewertet und ausgeschlossen werden, dann ist das ein hochgradiger innerer Konflikt. Würde sich diese Person bewusst werden, dass sie homosexuell ist, würde das automatisch bedeuten, dass sie sich den drohenden Konsequenzen aussetzen müsste. Da ein Ausschluss aus der Gemeinschaft aber evolutionär gesehen den Tod bedeutet hätte, ist das keine Option. Um in der Gemeinschaft zu bleiben wird also der Hass auf Homosexuelle übernommen, da hierdurch ein gemeinsamer Feind geschaffen wird, was die Gruppe stärkt Für die eigene Homosexualität bedeutet das nun, das er den Hass also faktisch gegen sich selbst richtet. Man spricht hier auch von der internalisierten Homophobie. Selbsthass ist eine zerstörerische Energie. Wird diese Energie ausagiert, entsteht eine Projektion auf das äußere Umfeld und diese Menschen empfinden wirklich Hass auf andere homosexuelle Menschen ohne dass ihnen bewusst ist, dass sie selbst homosexuell sind. Sie erkennen die Projektion ihrer eigenen Innenwelt nicht und spüren wirklich den Hass auf schwule Menschen, den sie dann eben auch voll ausleben. Irgendwann bricht dieses Kartenhaus dann aber zusammen. Wenn sie sich z.B. in einen anderen Mann verlieben und diese Gefühle sich nicht mehr verleugnen und verdrängen lassen. Dann erkennen sie doch, dass sie selbst homosexuell sind. Das ist dann erstmal eine große Krise für sie. Wenn die Menschen diese Kriese dann überwunden haben und zu ihrer Homosexualität stehen können, dann geben sie den Aktivismus logischerweise auf und leben fortan ihre wahre Identität, meist dann mit Partner.

Im Prinzip ist dies ein Schutzmechanismus der Psyche, um den Ausschluss aus der Gruppe zu verhindern, gleichzeitig aber selbstzerstörerische Tendenzen einzudämmen.
Wie bei der Homophobie ist hier also Mitgefühl für diese Menschen angebracht, weil sie keine bessere Strategie zur Verfügung hatten, um in ihrem Umfeld anders zu überleben, als die eigenen abgewehrten Gefühle nach außen zu bringen.

Es gibt Fälle von sogenannten „Homo-Heilern“, die behaupten, Homosexualität heilen zu können. Wie stehst du zu solchen Ansprüchen und wie können wir gegen diese gefährlichen Praktiken vorgehen?

Die Wissenschaft hat sich lange damit befasst, wie Homosexualität entsteht, welche Einflussfaktoren es gibt, ob sie anerzogen wird, ob es ein bestimmtes Gen ist uws. Irgendwann sind die Wissenschaftler zu dem Schluss gekommen, dass es von der Natur offensichtlich gewollt ist, und dass es völlig natürlich sei. Homo-Heiler, die behaupten, sie können Homosexualität heilen, ignorieren hier also ganz offensichltich die wissenschaftlichen Fakten und richten durch ihre Praktiken immensen Schaden an. Denn einen homosexuellen Menschen konvertieren zu wollen ist für diese Menschen psychisch so belastend und destruktiv, dass sie nicht selten Suizid begehen, weil sie es nicht ertragen können, dass die Therapie nicht wirkt. Es wurde bereits ein Gesetz verabschiedet, welches ein generelles Werbeverbot für die Konversionstherapien ausspricht sowie Konvesionstherapie an Jugendlichen untersagt. In meinen Augen ist das eine absurde Einschränkung, denn das bedeutet, dass Konversionstherapie an jungen Erwachsenen nach wie vor zulässig ist und dort weiter Schaden anrichten darf. Meiner Meinung nach muss es ein generelles Verbot der Konversionstherapie geben, da hier keine wissentschaftliche Grundlage für vorliegt im Gegenteil sogar immenser Schaden an der Psyche von Menschen angerichtet wird.

Wir als Gesellschaft müssen den Fakt, dass eine abweichende sexuelle Orientierung von der heterosexuellen Norm niemals behandlungsbedürftig ist, in den Vordergrund stellen, sodass Menschen, die mit ihrer sexuellen Orientierung unsicher sind nicht an eine Konversionstherapie geraten, sondern sich professionelle therapeutische Hilfe suchen, die sie mit dem Umgang ihrer Sexualität unterstützt.

Glaubst du, dass viele homophobe Menschen in Wahrheit ihre eigene Sexualität fürchten oder unterdrücken? Wie kann man mit solchen Konflikten umgehen?

Das ist schwer zu sagen. Es gibt sicherlich einige, die ihre eigene Sexualität unterdrücken und den Selbsthass nach außen projizieren. Es gibt aber eben auch ganz viele Menschen, die von außen eingegebenen Prägungen aus ihrer Erziehung folgen, ohne dass sie ihre Homophobie jemals kritisch hinterfragt und geprüft hätten. Jeder Mensch darf ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass automatische Gedanken, wie “Schwule Menschen sind abnormal” nicht der Wahrheit entsprechen und kritisch hinterfragt werden dürfen. Das Thema Bewusstheit für die eigenen Denkverzerrungen ist ein globales Thema und betrifft jeden Menschen. Der Spruch “Glaub nicht alles was du denkst” trifft hier also bestens zu. Jeder Mensch darf von Zeit zu Zeit seine eigenen Überzeugungen überprüfen und schauen, woher diese denn eigentlich kommen. In den Meisten Fällen wird sich herausstellen, dass diese Überzeugungen fremdeingegeben von Erwachsenen aus der Erziehung stammen oder von einem frühen sozialen Umfeld.

Was hältst du von der Behauptung, dass Homosexualität eine Geisteskrankheit oder eine Behinderung sei? Wie können wir diese schädlichen Vorurteile und Stigmatisierungen bekämpfen?

Auch hier lohnt sich ein Blick in die aktuelle Forschung. Es ist nach wie vor nicht bekannt wie Homosexualität entsteht. Worin sich aber alle Forscher einig sind, ist die Tatsache, dass es weder eine eindeutige genetische Komponente gibt noch dass es anerzogen, sozialisiert oder durch Verführung erzwungen werden kann. Kurzum: Man weiß es nicht, geht aber davon aus, dass es zum größten Teil angeboren und damit auch keine Krankheit sein kann. Die Behauptung, Homosexualitöt sei eine Geisteskrankheit bzw. psychische Störung, wie man in der heutigen Zeit eher sagen würde, geht darauf zurück, dass Homosexualität früher einmal wirklich so klassifiziert wurde. Im ICD-9 dem Diagnose Manual der WHO war Homosexualität bis 1992 offiziell als psychische Störung klassifiziert. Nach Einsicht in Forschungsergebnissen wurde das dann Gott sei Dank gestrichen. Dieser Glaube hält sich teilweise dennoch hartnäckig bis heute.

In einigen Fällen werden Homosexuelle fälschlicherweise mit Pädophilen in eine Schublade gesteckt. Wie kann man diese falsche Verbindung entkräften und die öffentliche Wahrnehmung korrigieren?

Die Erfahrung habe ich leider auch gemacht, dass es hier eine völlig falsche Verknüpfung zwischen zwei ganz unterschiedlichen Themen gibt.

In meinen Augen braucht es hier zwei Dinge: Zum einen mehr Aufklärung über das Bild der Pädophilie, damit jeder erkennt, dass es sich hier um ein ganz eigenständiges Phänomen, völlig unabhängig der sexuellen Orientierung handelt. Es gibt bei allen Geschlechtern und allen sexuellen Orienteriungen die Neigung zur Pädophilie. Das bedeutet, dass man umgekehrt keinen Rückschluss darauf ziehen kann, dass eine bestimmte sexuelle Orientierung immer mit einer pädophilen Neigung einhergeht.Darüber muss viel mehr aufgeklärt werden. Das Problem ist, dass jeder vor dem Thema Pädophilie zurückschreckt, weil er Angst hat dann automatisch damit in Verbindung gebracht zu werden. Das verhindert dann leider objektive Aufklärung zu diesem Thema.

Zum anderen bedarf es einer Entstigmatisierung des Bildes der Pädophilie. Denn der Begriff ist mit Vorstellungen völlig überladen, so dass gar nicht mehr differenziert wird, was der Unterschied zwischen Pädophilie und einer Straftat ist. Es wird einfach gleichgesetzt und die meisten Menschen, die an Pädophilie denken, haben direkt das Bild eines Mißbrauchs im Kopf.

Pädophilie ist erstmal nur eine Neigung, die sich niemand bewusst aussucht. Das bedeutet aber nicht, dass diese Neigung auch automatisch ausgelebt wird. Es gibt ganz tolle Präventionsprogramme, wo mit Menschen, die eine pädophile Neigung haben, gearbeitet wird, um zu verhindern, dass diese zu Tätern werden.
Demgegenüber steht der sexuelle, aber auch körperliche Missbrauch an Kindern, der das Leben eines Kindes zerstört und mit aller Härte des Gesetzes bestraft werden muss. Das darf aber nicht gleichgesetzt werden.

Welche Rolle spielen Stereotype und Vorurteile bei der Homophobie und wie können wir aktiv dagegen angehen?

Stereotype spielen gerade in einem unaufgeklärten Umfeld eine große Rolle. Viele Menschen habe ihre Vorstellungen zu bestimmten Menschengruppen aus den Medien übernommen und verbinden z.B. die Homosexualität mit kaum bekleideten, durchtrainierten Männern, die einem Fetisch nachgehen. Dass hierdurch automatisch ein Feindbild und damit Homophobie bei Menschen entsteht, denen das gegen ihre Werte geht, ist denke ich mal klar.

Allerdings kann man das gar nicht verhindern. Das Generalisieren von wenigen Informationen und Auffüllen mit Wahrscheinlichkeiten von Wissenslücken ist ein Grundmechanismus unseres Gehirns, damit die Illusion entsteht, wir hätten die Kontrolle über eine Welt, die viel zu komplex für unsere Verarbeitung ist. Wir abstrahieren, vereinfachen, generalisieren und glauben dann sehr schnell, ein vollständiges Bild über jemanden oder etwas zu haben ohne zu erkennen, dass der Anteil von objektiven Fakten sehr gering ist und der Rest mit fiktiven Vorstellungen aus vergangener Erfahrung aufgefüllt wird.

Das spielt bei Homophobie natürlich eine Rolle, ist aber ein Grundproblem der gesamten Bevölkerung und zwar in allen Bereichen des Lebens.
Wie bereits erwähnt, braucht es in Schulen viel mehr psychologisches Allgemeinwissen. So würden Kinder um diesen Mechanismus z.B. wissen und können dann zu jedem Sachverhalt selbstkritisch ihr vorläufiges Bild zu einer Situation hinterfragen und bei Bedarf aktiv korrigieren.
Das würde übrigens auch dazu führen, dass Menschen endlich lernen, Medienberichte kritisch zu hinterfragen und Propaganda nicht blind zu glauben, nur weil es ja irgendwo steht oder ein Guru es gesagt hat.

Was sind einige der häufigsten Ängste und Bedenken, mit denen Menschen konfrontiert sind, wenn sie ihr Coming-Out in einer homophoben Umgebung haben?

In einer offensichtlich homophoben Umgebung sind die größten Ängste der Menschen die, dass sie echte körperliche Gewalt erfahren. Es geht also nicht mehr nur um die Angst vor Ablehnung, sondern um wirkliche körperliche Gewalt bis hin zu realen Todesängsten.

Ich kann mich an eine Fall von mir erinnern, indem mir ein Klient berichtet hat, dass er Angst hat sich zu outen, weil seine Familie ihn dann umbringen würde. Was ich zuerst für eine übertriebene Redensart hielt, stellte sich im weiteren Verlauf des Gesprächs als reale Bedrohung heraus. Er wurde als Jugendlicher von seinem älteren Bruder mit einem anderen Jungen erwischt. Sein Bruder hat ihm daraufhin eine körperliche Narbe zugefügt als Erinnerung, dass er ihn umbringen wird, wenn er das noch einmal erfährt. Mich macht es unfassbar betroffen, dass Menschen ihre fiktiven religiösen oder kulturellen Normen für so wichtig halten, dass sie ihre eigenen Familienmitglieder sogar dafür töten würden. Ist das nicht absurd? Das Familienmitglied ist real da in Fleisch und Blut, ein empfindsames Wesen mit all der Komplexität an Verhalten und Gefühlen eines Menschen. Die kulturelle Norm ist ein fiktives geistiges Konstrukt aus einer Zeit, die nicht Heute ist und damit völlig überholt und unsinnig ist. So etwas hinterlässt mich immer wieder sprachlos.

Mehr zu Michael Kensy im Netz:

Michael Kensy – Die offizielle Webseite:
https://www.michael-kensy.de

Michael Kensy bei Facebook:
profile.php

Michael Kensy bei YouTube:
https://www.youtube.com/channel/UCmeEWrtvy8uPoY5iLTy9j_g

Nach oben scrollen