The Shaggs – Philosophy Of The World – Ein Album zwischen Erbärmlichkeit und Genialität (Audio) [ Protopunk | Rock | Retro Rock ]

 

Die Shaggs waren eine Band, die je nach Perspektive entweder die ideale Verkörperung kreativen Ausdrucks und Naivität in ihrer reinsten Form darstellen oder ein unhörbares Durcheinander eines Albums sind, das von der Untergrundszene ironisch verehrt wird – insbesondere von Frank Zappa und Kurt Cobain – und auf Kosten der Musikerinnen selbst. Und während es sicherlich gültige Argumente für beide Seiten gibt, ist es dennoch eines der faszinierendsten Alben aus dem Jahrzehnt, das das Gesicht der populären Musik verändert hat.

Das Heilige Gral eines Albums das DIY Veröffentlicht wurde

Die Shaggs‚ „Philosophy of the World“ wird oft als der heilige Gral der DIY-Veröffentlichungen bezeichnet. Ursprünglich in einer Auflage von nur 1.000 Stück veröffentlicht, klingt das Album absolut anders als alles zuvor oder seitdem. Aufgenommen im Fleetwood Recording Studio in Massachusetts im Jahr 1968, markierte das Album den Beginn dessen, was der Vater der Mädchen, Austin Wiggin, als den Beginn einer großen Karriere ansah. Die Wiggin-Schwestern (Dot, Betty, Helen und später Rachel) spielten ihre selbst verfassten Songs, die Tempi dehnten und zogen sich zusammen, ihre Harmonien waren bestenfalls atonal, und ihre Gitarren hätten gestimmt werden können.

Und doch sind es gerade diese Elemente, die das Album für viele zu einer so liebenswerten, nackt ehrlichen künstlerischen Aussage machen. Hier gibt es keine Vorwände, nur drei Schwestern, die ihre eigenwilligen Songs über eine Vielzahl persönlich nachvollziehbarer Themen spielen. Und während die nonsensicalen Elemente – vor allem „My Pal Foot Foot“ – in der Regel die ersten Punkte sind, die Kritiker anführen, wenn sie den künstlerischen Wert des Albums kritisieren, bieten Songs wie der Titeltrack, „Things I Wonder“ und „Why Do I Feel?“ erstaunliche Einblicke in die Texte.

Natürlich würden viele diesen Punkt bis zum Bitteren verteidigen und das Album als wertloses Ausbeutungsstück bezeichnen, als akustische Freakshow, die von den hippen Kenner:innen einfach wegen ihrer absoluten Seltsamkeit gepriesen wird. Und während es sicherlich diejenigen gibt, die zum Album kommen, um über das Fehlen handelsüblicher Musikalität und Gesang zu kichern, werden diejenigen, die über diese ästhetischen Eigenschaften hinwegsehen können, eines der rohesten und ehrlichsten Kunstwerke aus jugendlicher Perspektive finden. Es ist ein faszinierender Blick in den Geist von Teenagern, die Wiggin-Schwestern legen ihre Gedanken unverblümt dar, mit einer Ernsthaftigkeit, die anrührend ist und an die Grenze zum Herzerweichen führt.

 

(C) The Shaggs Bild: Geoffry Weiss

 

Eine Einzigartige Klanglandschaft

So einzigartig ist ihr Sound, dass niemand außer den Wiggin-Schwestern jemals hoffen könnte, die hier enthaltenen Klänge zu replizieren. Es ist ein Zeugnis ihrer langanhaltenden Faszination als musikalisches Kuriosum, dass das Album über 50 Jahre nach seinem ersten Erscheinen immer noch beim Publikum Resonanz findet. Und dank der Archivare von Light in the Attic ist „Philosophy of the World“ schließlich wieder für die nächste Generation von entfremdeten Jugendlichen verfügbar, die nach einem kreativen Ausdruck für ihren inneren Künstler suchen. Mit ausführlichen Liner Notes von dem erfahrenen Rockjournalisten und Untergrund-Champion Lenny Kaye sowie einer Fülle von zeitgenössischem Material ist diese neue Ausgabe – die erste seit mehr als 36 Jahren, nachdem sie 1980 erstmals wiederentdeckt und veröffentlicht wurde – die definitive Aussage über eines der polarisierendsten Alben aller Zeiten. Es mag nicht schön sein, aber sein inhärenter Charme liegt in seiner bloßen Existenz. Liebe es oder hasse es, „Philosophy of the World“ ist ein Stück schlechter Musikgeschichte, die irgendwie doch wieder genial ist und dies gilt zu bewundern.

Die musikalische Darbietung im kurzen Abriss – Lol – Abriss

Seien wir mal ehrlich, The Philosophy Of The World ist ein derart schlechtes Werk, dass es schon wieder genial ist. Während das Nachfolgealbum Shagg’s Own Thing sich hinsichtlich des Tempos verbessert hat, sind die drei Mädels auf diesem Album irgendwie in Höchstform anzutreffen. Denn „Abriss“ ist hier dann doch das passende Stichwort. Während Schlagzeugerin Helen Wiggin† konstant den Takt hält und ihr Ding so richtig durchprügelt, hinken die Schwestern Betty Wiggin und Dorothy „Dot“ Wiggin an ihren Saiteninstrumenten hinterher. Beide sind hierbei auch mit der Aufgabe des „Singens“ beschäftigt, wobei man jedoch eins zugeben muss. Bei all dem Chaos und Durcheinander aus unterschiedlichen Taktarten, können sie ihre Melodien spielen, und songwriterisch bieten The Shaggs dann tatsächlich auch noch wertvolle Inhalte, die man sich zu Gemüte führen sollte.

Musikalische Philosophie: Über die Bedeutung von Kreativität und Intention

Dies ist eine unkonventionelle Betrachtung eines Albums, das unsere Vorstellungen von Musik und Kreativität auf den Kopf stellt. The Shaggs mögen musikalisch ungeschliffen erscheinen, aber sie werfen wichtige Fragen zur Bedeutung von Musik auf. Ist musikalische Einheitlichkeit wirklich von höchster Bedeutung? Sollte die Intention des Musikers immer maßgeblich sein? Und ist es wirklich wichtig, dass Musiker sich streng an musikalische Konventionen halten? Jedenfalls bin ich persönlich im Zwiespalt: Einerseits möchte ich nicht aufhören Headzubangen, andererseits möchte ich mir zwei Zirkel in die Ohren rammen.

Philosophy of the World“ zeigt uns jedenfalls, dass musikalische Qualität nicht immer mit technischer Perfektion einhergehen muss. The Shaggs, die offenbar keine musikalische Ausbildung oder Erfahrung hatten, schufen dennoch etwas, das viele Menschen fasziniert und bewegt. Dieses Album erinnert uns daran, dass Musik in ihrer Rohform, jenseits von konventioneller Harmonie und Präzision, eine kraftvolle Ausdrucksform sein kann.

Schlussendlich können wir von „Philosophy of the World“ lernen, dass Musik mehr ist als nur Noten und Rhythmen. Sie ist eine Form der Kommunikation, die aus der Tiefe des Herzens kommt, und sie kann auch dann bedeutungsvoll sein, wenn sie scheinbar „fehlerhaft“ ist. Dieses Album fordert uns auf, unsere Vorstellungen von Musik und Kreativität zu überdenken und uns für die Vielfalt der künstlerischen Ausdrucksformen zu öffnen.

Great Parenting – Nicht!

Die Geschichte von „The Shaggs“ ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie Eltern ihre eigenen Träume auf ihre Kinder übertragen können. Der Vater, Austin Wiggin, drängte seine Töchter, obwohl sie wenig Interesse oder Talent zeigten, dazu, eine Band zu gründen. Er investierte viel Geld und Energie, um ihre musikalische Karriere voranzutreiben, und zwang sie, gegen ihren eigenen Willen und ihre Fähigkeiten anzukämpfen. Teilweise ging er dabei rücksichtslos und sogar gewalttätig vor. Die Geschichte der Shaggs steht symbolisch für die Herausforderungen, die auftreten können, wenn Eltern ihre eigenen Ambitionen auf ihre Kinder projizieren.

Die Wertung:

Entfällt fairerweise diesmal

Das Fazit:

The Shaggs mögen nicht die technisch versiertesten Musiker gewesen sein, aber sie haben bewiesen, dass wahre Kreativität keine Grenzen kennt und dass musikalische Intention nicht immer das Maß aller Dinge ist. In einer Welt, in der Musik oft nach strengen Regeln beurteilt wird, erinnert uns „Philosophy of the World“ daran, dass wahre Kunst oft in der Unvollkommenheit liegt.

Mehr zu The Shaggs im Netz:

The Shaggs bei Apple Music anhören:
https://music.apple.com/artist/the-shaggs/240233

The Shaggs bei Spotify anhören:
https://open.spotify.com/artist/5ixdD9E7P9r51AOcSInQbl?si=bd0xL1f7T8eSd3GhpyKGqQ

 

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