Mit seinem Debütalbum „…A Strange Pale Blue“ legt Steven Lemon ein Werk vor, das die Grenzen zwischen Indie-Pop, Folk und klassischer Songwriter-Tradition neu vermisst. Zwölf Kompositionen bilden eine Klangreise, die von kleinen Clubs in South Jersey bis in die weiten Sphären cineastischer Traumlandschaften führt. Dabei überzeugt nicht nur die stilistische Bandbreite, sondern vor allem das fantastische Sounddesign, das jedem Stück Tiefe, Wärme und zugleich eine verblüffende Klarheit verleiht.
Ein warmer Empfang: „The Radio and Me“ als akustische Eintrittskarte
Schon der Opener „The Radio and Me“ macht deutlich, worauf sich die Hörerinnen und Hörer einlassen: Langsam aufsteigende Synth-Flächen treffen auf behutsam gezupfte Gitarren und ein perkussives Flüstern, das an den Herzschlag einer Röhrenradio-Membran erinnert. Steven Lemon setzt seine Stimme zunächst fast scheu ein, bevor er sie im Refrain in einen samtigen Hall bettet. Die Komposition baut in sorgfältig austarierten Wellen Spannung auf und entlädt sie in majestätischen Akkordwechseln – ein Vorgehen, das im weiteren Verlauf des Albums zu einem Markenzeichen wird. Der Song öffnet einen Raum, in dem Intimität und Größe keine Gegensätze sind, sondern sich gegenseitig beflügeln.
Zwischen Melancholie und Optimismus: Farben und Facetten der Mid-Section
Mit „Lifeline“ schlägt Steven Lemon leisere Töne an: Eine akustische Gitarre, unaufdringliche Streicher und ein dezentes Brush-Schlagzeug bilden das Fundament für einen Text, der Verletzlichkeit in poetische Bilder kleidet. Das Sounddesign glänzt hier durch Transparenz – jede Nuance der Fingergeräusche auf dem Griffbrett ist hörbar, ohne dass das Gesamtkonstrukt je fragil wirkt. Das folgende „We Better Go“ wechselt in einen federnden Uptempo-Groove; ein trockener Bass und perlende E-Piano-Akkorde geben dem Song einen lässigen Drive, während Bläser-Samples im Hintergrund auflodern. Die Übergänge zwischen diesen Stimmungen gelingen mühelos – ein Beweis für die geschickte Dramaturgie des Albums.
Besonderes Augenmerk verdient „Velma Daisy Dinkley“. Hier entfaltet sich eine Piano-Ballade, die mit geschichteten Backing-Vocals und dezenter Orchestrierung an die großen Glam-Gesten der 70er erinnert. Doch anstatt in Nostalgie zu verharren, platziert Steven Lemon moderne Synth-Texturen zwischen die Klavierläufe, wodurch ein reizvolles Spannungsfeld entsteht. Die Komposition steuert gezielt auf einen modulationsreichen Mittelteil zu, der den harmonischen Horizont unerwartet erweitert.
Klangarchitektur und Erzählkunst: Das Herzstück von „…A Strange Pale Blue“
Wenn „Peas and Carrots“ seine verspielt klackernde Rhythmussektion ausbreitet, offenbart sich erneut die Sorgfalt, mit der jedes Detail ausgearbeitet wurde. Layer aus Finger-Snaps, dezent verfremdeten Xylophon-Tönen und rückwärts abgespielten Vocal-Fetzen verzahnen sich zu einem Mosaik, das zugleich verspielt und präzise wirkt. Textlich gelingt es Steven Lemon, Alltagsbeobachtungen in pointierte Verse zu gießen, ohne auf plakative Refrains angewiesen zu sein.
Ähnlich packend präsentiert sich „Scooter Skeleton“. Ein treibender Shuffle-Beat, verzerrte Slide-Gitarren und eine Hook, die sich sofort im Gedächtnis festsetzt, machen den Track zum energetischen Höhepunkt. Die Produktion bewahrt dabei stets Übersicht: Gitarren und Synths teilen sich das Panorama, die Drums besitzen knochentrockene Präsenz. Die Komposition folgt einer klaren Dramaturgie; nach einem ausgedehnten Mittel-Break kehrt das Hauptthema mit verdoppelter Dynamik zurück – eine Explosion, die live gewaltig wirken dürfte.
Abschied mit Nachhall: „Bones“ und das leise Leuchten des Finales
Den Schlusspunkt setzt „Bones“, ein Stück von beinahe kammermusikalischer Zartheit. Ein einsames Klaviermotiv breitet sich aus, bevor dezente Cello-Phrasen dazustoßen. Die Stimme von Steven Lemon wirkt hier besonders verletzlich, fast brüchig – genau der richtige Tonfall für einen Text, der Vergänglichkeit und Hoffnung miteinander verwebt. Das fantastische Sounddesign sorgt dafür, dass jeder Atemzug, jedes kurze Innehalten hörbar bleibt; ein leises Pedalgeräusch oder das sanfte Kratzen des Bogenhaars auf den Saiten werden Teil des erzählerischen Ganzen. Wenn das letzte Akkord-Echo verklingt, bleibt ein Aurafeld zurück, das weit über die Spieldauer hinausstrahlt.
Unsere Wertung:
➤ Songwriting: 8 von 10 Punkten
➤ Komposition: 9 von 10 Punkten
➤ Musikalische Fähigkeit: 10 von 10 Punkten
➤ Produktion: 9 von 10 Punkten
➤ Gesamtwertung: 8,5 von 10 Punkten
Unser Fazit:
„…A Strange Pale Blue“ ist nicht bloß eine lose Sammlung eingängiger Indie-Pop-Nummern, sondern ein schlüssig kuratiertes Album, dessen Kompositionen und Soundgestaltung Hand in Hand gehen. Steven Lemon beweist, dass moderne Singer-Songwriter-Kunst weit mehr sein kann als akustische Gitarre plus Melancholie: Er verschmilzt klassische Songstrukturen mit subtiler Studiomagie, ohne je den emotionalen Kern zu verlieren. Jede der zwölf Kompositionen eröffnet einen eigenen Mikrokosmos, und doch greifen sie ineinander wie Kapitel eines Romans. Wer ein Debüt sucht, das Herz, Hirn und Ohr in gleichem Maße fordert und bereichert, findet in „…A Strange Pale Blue“ ein leuchtendes Beispiel dafür, wie weit Popmusik im Jahr 2025 tragen kann.
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