Inside AFD: oder auch vom AFD-Politiker zum Tierschützer – Marcel Enzmann im Interview!

Gegenwärtig erfährt die Alternative für Deutschland einen großen Zulauf. Die Menschen sind aus teilweise verständlichen Gründen unzufrieden mit der aktuellen Ampel-Regierung in Deutschland. Wir haben es uns nicht nehmen lassen, einen ehemaligen AfD-Politiker einzuladen und mit ihm ein Gespräch über die Vergangenheit und die Zukunft zu sprechen. In diesem Gesprächsverlauf diskutiert Marcel Enzmann, ein ehemaliges Mitglied der AfD, über seine politische Transformation und die Faktoren, die zu seiner Wandlung beigetragen haben. Er spricht auch über die Problematiken und Gefahren einer Protestwahl für die AfD, insbesondere im Hinblick auf ihre Steuerpolitik, Haltung zu alleinerziehenden Eltern, dem Dexit, der Steuerpolitik und mutmaßlichen rechtsextremen Tendenzen. Marcel betont die Bedeutung eines respektvollen Miteinanders und warnt vor den Folgen einer Wahl der AfD.

Hallo Marcell, zunächst dieses Interview soll weder dich an den Pranger stellen, oder gar irgendwelche Wähler irgendwelcher Parteien. Es entstand lediglich aus meinem Interesse. Ich danke dir zunächst für die Zeit, die du dir für dieses Interview nimmst.

Marcel, wie bist du ursprünglich zur AfD gekommen? Was hat dich damals an der Partei angezogen?

Als unzufriedener Bürger, der sich vom Jobcenter und Gesundheitssystem aufgrund seiner Erkrankung nicht sonderlich ernst genommen fühlte, schaute ich mir 2016 die Parteien an, die zur Landtagswahl und Bundestagswahl antraten. Ich habe mir Programminhalte durchgelesen und Veranstaltungen angesehen. Geredet und im Fernsehen gesendet wird oft viel. Ich wollte mir lieber eine eigene Meinung bilden. So kam es auch, dass ich mich über die Partei der AfD schlau gemacht habe. Erst einige Zeit später stellte ich fest, dass man als interessierter Mensch bereits dort schon manipuliert wurde und auf „Kurs“ gebracht werden sollte. Mit psychologischen Tricks wurden die Ängste der Menschen bereits gefüttert und gefestigt, um sie zu radikalisieren. Ich merkte es nur leider nicht bzw. erst viel zu spät!

Die AfD war mir damals nur als eine Partei für die Wiedereinführung der Deutschen Mark bekannt, die keine weiteren Kernpunkte hat. Ich war enttäuscht von den in AfD-Kreisen genannten „Altparteien“. Ich wollte mehr Sicherheit in Form von mehr Polizei, mehr Ordnungsamtskräften und mehr Grenzschutz. Nicht wegen der Flüchtlingsbewegung, sondern vielmehr waren allgemeine Themen ein Grund gewesen. Ich wollte weniger illegale Einreisen ganz gleich welcher Personen. Der Menschen- und Kinderhandel sollte besser bekämpft werden. Mich ärgerten schon damals die viel zu langen Tiertransporte auch über die Grenzen von Deutschland hinaus. Ich habe gedacht, dass wir so den Terrorismus besser bekämpfen bekommen und so zu einem schnelleren Aufgreifen der zu Fahndung ausgeschriebenen Menschen kommen. Hinzu kam eine eigene Unzufriedenheit, Missverständnisse seitens des Gesundheitswesens und vieler staatlicher Ämter. Es bildete sich bei mir eine Art Verschwörungsgedanke. Dieser Gedanke wurde dann auch oft gern von der AfD gefüttert.

Auf den Veranstaltungen und damals auf den Stammtischen sind mir damals keine wirklich rechtsextremen Personen aufgefallen. Oder wollte ich diese nicht sehen? Ich sah mir dann direkt die Veranstaltungen und Vorträge in den Media Docks Lübeck an und sprach auch mit einzelnen Politikern, wie Prof. Dr. Jörg Meuthen, Guido Reil, Beatrix von Storch und vielen weiteren Kandidaten. Zu dieser Zeit haben obengenannte Politiker*innen noch einen gemäßigten Ton benutzt im Vergleich zu heute im Jahr 2023.

Diese Gespräche jedenfalls vor Ort überzeugten mich damals am Ende, dieser Partei am 30.07.2017 beizutreten. Für mich hieß es, es musste sich dringend etwas ändern in der Politik.

Ein großer schwerwiegender Fehler und mit das schwärzeste Kapitel welches meine Biographie schrieb.

Wie hast du den Auswahlprozess und die Aufnahme in die AfD erlebt?

Der Kreisverband Lübeck hatte zu diesem Zeitpunkt noch kein eigenes Büro. Die interessierten Mitglieder sollten jedoch auch nicht ganz nach Kiel anreisen. Des Weiteren wisse man nicht, mit was man für Personen die Partei es dann zu tun bekäme. Gab es doch schon Übergriffe auf das Parteibüro in Kiel. Wir trafen uns so in einem Kaffee in Lübeck. Hier ging es darum herauszufinden seit wann ich mich für Politik interessiere, was meine Kernthemen in der Politik sind und warum ich die AfD zu diesem Zeitpunkt bevorzuge. Schon hier wurden meine Ängste, Wut und all das was mir politisch aufm Nerv ging, gefüttert. Mir erzählte man die AfD will hier ansetzen und Veränderungen schaffen. Man müsse den „Altparteien“ auf die Fingern hauen und auch mal „Tacheles“ reden. Erstaunlich war, das hier gefragt wurde ob ich in einer Verbotenen Partei wie der NPD oder ähnlichen gewesen war. Dieses würde eine Mitgliedschaft ausschließen. Bin ich Wechsler einer „Altpartei“ zur AfD, wäre ich herzlichst aufgenommen. Die AfD war hingegen meine erste Station als politisches Mitglied. Wenig später unterzeichnete ich den Antrag und mein Mitgliedsausweis hielt ich schon wenige Tage später in den Händen. Heute liegt der Ausweis kleingeschnippelt auf irgendeiner Mülldeponie.

Vom AFD-Politiker zum liberalen Tierschützer: Marcel Enzmann

Was waren deine Hauptaufgaben und Ziele bei der AfD, Marcel?

Aufgaben hatte ich bis zur Wahl zum Listenkandidat Nummer 3 zur Lübecker Bürgerschaft keine.
Ich erlegte mir selbst welche auf. Ich schrieb regelmäßig Beiträge in meinem Blog, auf Facebook über die Themen über die, die AfD gerade berichtet. Jedoch oft in meinem eigenen Ton umschrieben. Ich teilte ebenso auch viele Beiträge. Durch das schreiben sah ich nicht, wie ich nach und nach den Tonus der AfD annahm und auch eine radikalere Sprache und Schreibweise zum Vorschein kam. So hetzte ich gegen den Islam, der in meinen Augen zu dem Zeitpunkt keine Islam Hetze sein sollte. Ich fand es damals nur sehr befremdlich Frauen in einer Burka komplett verschleiert zu sehen. Heute kenne ich nähere Hintergründe. Kopftücher sind für mich mittlerweile völlig normal geworden, schließlich tragen Nonnen auch so etwas wie Kopftücher. Diese Gedanken blendete ich damals komplett aus. Die Radikalisierung begann. Schleppend aber sie fruchtete anscheinend so, dass man mich seitens der AfD Landes- und Kreisvorstandes Lob und ich meiner Sache weiter nachgehen sollte. Kurz: Junger Mann, politisch engagiert, einer der überzeugen kann, eine sehr gute Reichweite besitzt und der die Kniffe um den Algorithmus von Facebook kennt. Diesen können wir weiter gut als Köder verwenden. Natürlich wurde unter anderem auch deswegen meine Person als guter Fang für den Listenkandidaten Nummer 3 gesehen. Dazu noch eine perfekte Rede vor der Wahl gehalten. Fertig war das „Produkt“, welches auch dann als 3. für die AfD in die Bürgerschaft gewählt wurde. Diese Manipulationen sah ich jedoch erst nach Ende der Kommunalwahl / Bürgerschaftswahl 2018. Wo es auch zu vielen Reibereien, Sinnenwandel und schlussendlich zum Austritt kam.

Hast du während deiner Zeit in der Partei eine Veränderung in der Rhetorik oder den politischen Zielen festgestellt?

Leider ja! Ich habe dieses aber erst Rückblickend und viel zu spät bemerkt. Wenn ich meine Beiträge, die im übrigen im Internet auf meinen Blog-Seiten und Facebook etc. gelöscht wurden, lese, wird mir schlecht und könnte mich Ohrfeigen. Worte sind ein mächtiges Instrument! Doch das Worte eine so gravierende Waffe in der Gesellschaft sein können, erlernte ich eigentlich erst mit dem Thema Gendersternchen und der LGBTQ+ Bewegung. Jede Silbe und jedes Wort kann verletzen und weh tun. Vielleicht verletze ich auch jetzt gerade jemanden. Ich bemühe mich aber seit dem Austritt ein besserer, ehrlicher und viel herzlicher Mensch zu sein.

Wie hast du es empfunden, Teil einer Partei zu sein, die oft als kontrovers und polarisierend wahrgenommen wird?

Ich fühlte mich stark, wie ein Rebell mit den dicksten Eiern. (Hahaha)
Im ernst? Ich fühlte mich damals im Recht. Das ganze Geschmiere der ältere Parteien hat doch System. Das Presse diverse Themen zum Nachteil von Personen, Firmen oder Politik ausschlachten kennt man doch. Diese Denkweise war jedoch komplett falsch, wie ich heute weiß. Ich lebte damals auch häufig in Angst. Gewaltdrohungen sowie ein Einwurf einer Fensterscheibe gehörten zum politisch aktiven Leben leider Gottes dazu. Ich hätte mir jedoch so viel Ärger, Kummer und Sorgen selbst ersparen können. Doch ich musste diesen unbequemen Weg erst lernen zu gehen und diese bittere Erfahrungen sammeln um aus dieser braunen Scheiße zu entfliehen. Gestärkter, Zufriedener und als besserer Mensch stehe ich nun heute vor mir.

was war der entscheidende Moment oder das entscheidende Ereignis, das dich dazu gebracht hat, der AfD den Rücken zu kehren?

Das waren ganz viele Puzzleteile die dazu führten, bis ich aus der AfD ausgetreten bin und dieser Strömung zu 100 % den Rücken zugekehrt habe. Ich wollte halt die Radikalisierung nicht wahrhaben und meinte zu Glauben das sich die Störfaktoren beheben lassen und man Leute wie meine Person brauch um Menschen wie Höcke nicht noch größer werden zu lassen. Ein Irrglaube, wie sich später herausstellte. 

Zu erst gefielen mir Ende 2017/ Anfang 2018 Programmpunkte und Aussagen der Parteien nicht mehr.  Außerdem förderten Machtkämpfe, Streitereien und viele leere Versprechen nicht gerade das Vertrauen in diese Partei. Die AfD driftete immer weiter von meinen damaligen Vorstellungen ab, man bekam im Unterhaus nun auch viele Details mit, von den man Anfangs gar nicht glaubte, dass diese wirklich geschehen. Vieles, wovor andere immer gewarnt hatten. Die sogenannte Radikalisierung! Eine Entwicklung, die ich so nicht mitgehen wollte!
Es folgte dann außerdem der Beschluss, dass sich die AfD pro Abschuss des Wolfes positionierte. Dieser Beschluss entsprach überhaupt nicht meinen Vorstellungen von Tier- und Artenschutz!

Ein Beschluss, um die Wähler (meist Bauern) im AfD starkem Osten nicht zu vergraulen. Eine Partei mit Drehtürcharakter. Ich hörte ab diesem Zeitpunkt dann tief in mich hinein und erkannte, dass ich nicht mehr glücklich in dieser Partei bin und meine Ziele und Werte sich stark in eine andere und gesunde Richtung bewegt haben. Man entwickelt sich im Laufe der Jahre weiter und denkt über diverse Themen wie dem Flüchtlingszustrom, Einwanderung und viele weitere Programmpunkte von Parteien später ein wenig anders nach. In vielen Bereichen war ich bis zu diesem Zeitpunkt jedoch blind.

So erkannte ich, dass die Polizeistatistiken die ich las, auf einen gewissen Blick die Aussagen der AfD zwar widerspiegelten, allerdings auch weitere Aspekte gar nicht erwähnten und beleuchtet hatten. Dieses erfuhr ich erst später bzw. wurde mir auch erst später dann wirklich bewusst. Die AfD war in bestimmten Vierteln bereits von Rechten unterwandert. In Schleswig-Holstein sah ich hingegen anfangs noch keinen. Doch auch hier wandelte sich das Blatt. Der Fall Doris von Sayn Wittgestein dürfte für viele ein Begriff sein. Durch privaten Email Verkehr lernte ich diese Person näher kennen und somit auch ihre politische Einstellung. Mit diesen Ansichten konnte ich mich absolut nicht anfreunden. Es bildeten sich in Schleswig-Holstein und Lübeck zwei Lager. Einmal pro Frau von Wittgestein und ein kleiner Teil dagegen. Dementsprechend nahmen auch die Teilnehmer*innen mit rechtem Gedankengut oder gar Reichsbürgerideologien zu. Die Partei entwickelte sich immer mehr ins extreme.

Mit dieser Entwicklung der AfD wollte ich nichts zu tun haben! Dazu kam der Rauswurf 2018 aus der damals frisch gegründeten AfD – Fraktion HL zur Bürgerschaft in Lübeck, den anschließenden Rufmord von eigenen Mitgliedern. Hier hieß es ich würde zu Sitzungen ungepflegt, mit kaputten Hosen und Socken kommen. Man diskriminierte schwerhörige Mitglieder sowie Mitglieder mit psychischen Erkrankungen. Aus meiner Erkrankung machte ich kein Hehl und meiner Arbeitslosigkeit damals ebenfalls nicht. Dennoch warf man mir vor Umfang, Dauer und Co. Der Erkrankung und Arbeitslosigkeit bewusst verschwiegen zu haben. Genau diese Mobber wurden dann 2018 als neuer Vorstand im Kreisverband Lübeck gewählt. Später durfte ich an Veranstaltungen nicht mehr teilnehmen oder diese Besuchen: Begründung da ich im privatem Ärger mit einem Nachbar hatte, welches ja die Antifa gerne ausschlachten könnte. Totaler Schwachsinn. Somit könntejede*r der*die schon einmal handgreifliche Auseinandersetzungen oder ähnliches hatte, nicht mehr an politischen Aktivitäten weiter teilnehmen. Genauso musste ich lernen, dass das Problem nicht „nur“ daran liegt, dass die zu uns geflüchteten Menschen arm sind. Nein! Es liegt auch daran, dass wir in den Gebieten Waffen verkaufen und somit den Krieg dort fördern, dass wir von diesen Menschen wichtige Ressourcen erbeuten und die Leute komplett ausnehmen. Ein Beispiel ist, dass wir für unsere Massentierhaltung funktionierende Strukturen zerstören, wie zum Beispiel den eines Kaffeebauers in Südafrika, der durch Hilfspakete in Form von Nahrungsmittel und Kaffee an bedürftige Menschen seinen Job verlor.

Vor Ort Hilfe heißt dort die Lösung. Wir müssen den Menschen vor Ort zeigen, wie Sie gewisse Obst und Gemüsesorten anpflanzen, ernten, Wasserversorgung und vor allem funktionierende Strukturen errichten, um ihr Land wieder aufzubauen. Doch auch wir Menschen, die Politik, Wirtschafts- und Industrienationen müssen noch eine Menge lernen und die Ursachen erkennen und Geld mal nebenan stellen. Dieser ganze Apparat von Mobbing, Ausgrenzung, Ausnutzung in der Social Media Welt und Bewusstwerdung über Änderung und Radikalisierung der Wahlthemen bzw. deren Ideologie, machten dann meinen Entschluss deutlich und verfestigt. Außerdem stand noch die Europawahl bevor. Hier warb ich Anfangs noch für die AfD, ehe ich paar Tage später, genaugenommen im Juni 2018 schon die Mitgliedschaft kündigte und ausgetreten bin und auch diese Partei nie mehr mit einem Kreuz oder anderer Form unterstützt habe. Meine neue Mission über die AfD aufzuklären wie gefährlich diese doch ist und noch werden könnte!

Wie schwierig war der Prozess des Austritts für dich persönlich und sozial?

Für mich war die Kündigung aus der AfD nicht schwer. Ich denke das der Landesverband Lübeck nach all den querelen die zur Bürgerschaftswahl 2018  danach passiert sind, davon ausgingen das ich die Unterwerfung und all das krankhafte System der AfD nicht mehr mitspielen werde. Es verabschiedeten sich danach natürlich zahlreiche Kontakte die entweder damals selbst in der AfD waren sowie Bekanntschaften denen die AfD egal waren bis hin zu positiv gestimmt. All diese Menschen haben sich entfernt oder habe ich bewusst aus meinem Leben verdrängt. Nachdem nun meine damaligen Freundschaften vor der AfD durch die AfD zerbrachen, waren nun auch der Rest weg und ich stand alleine da. Nun ganz alleine war ich nicht 1 guter Freund aus der Ferne und meine Partnerin standen jederzeit hinter mir. Dafür ein großen Dank und Respekt gezollt. Da auch ich in dieser Zeit nicht einfach war. Außerdem war auch der Interviewer mit dem Nachnamen Gottfried stets an meiner Seite. Danke dir!

Was denkst du heute über deine Zeit in der AfD und deine Entscheidung, auszusteigen, Marcel?

Der Austritt war eine richtige Entscheidung. Dennoch frag ich mich heute noch: Wie konnte ich nur so dumm sein, warum ist es so gekommen das ich genau in diese Partei gehe und warum hab ich mich so leicht blenden lassen. Warum bin ich nicht früher ausgetreten?
Ein sehr schwarzes Kapitel in meiner Vita. Ich bereue zutiefst! Doch die Erklärungen dafür, lieferte ich euch anfänglich oben.

Du erhältst Morddrohungen, soweit ich informiert bin, besonders von AfD-Wählern und Rechtsextremen. Wie gehst du mit dieser Bedrohung um?

Hier muss ich erst ein Mal ein Punkt richtig stellen. Diese (Mord-)Drohungen kommen aus jedem politischem sowie jedem gesellschaftlichen Spektrum. Zur Zeiten als AfD Mitglied, gab es natürlich hier mehr Anfeindungen und Auseinandersetzungen mit und von der Linken Seite. Hier hatte ich jedoch regelmäßig versucht meine Angst zu überspielen. Wenn die AfD eines kann, ist es die Angst gegenüber den Linken zu beenden. Hier sagt sie ganz klar: „Du, Wir sind stark!“. Jede andere Angst jedoch wird gefördert und mit dem Spruch gefüttert: „Ohne AfD wird deine Angst größer!“

Als Nichtmitglied erhalte ich nun auch Morddrohungen, Anfeindungen, Beleidigungen und auch körperliche Angriffe. Dieses mag zum einen mit dem Austritt aus der AfD zu tun haben, zum anderen mit meiner vegetarisch/vegan zu lebenden Einstellung als Tierschützer, zum anderen mit einem damals sehr ängstlichen Blick auf die Corona Zeit. 

Habe ich die rechte und radikale AfD hier in Lübeck und meinen umliegenden Straßen gefördert?
Das kann gut möglich sein und es ist etwas auf das ich auf keinen Fall mehr stolz drauf bin. Ich würde diese damals Geführten Gespräche mit der Nachbarschaft alle gerne Rückgängig machen wenn ich könnte. Die AfD ist keine Lösung für unsere Probleme auf diesem Land, was rede ich überhaupt keine Lösung für den ganzen Planeten. 

Mit all den Drohungen fühlt man sich mit klarem Geist natürlich unwohl. Wir wollen auch aus der Gegend wegziehen, wohingegen jedoch die Wohnungsnot in Deutschland triumphiert und es kaum bezahlbaren Wohnraum gibt. Gerade in diesen Inflations- und unsicheren Zeiten, jemand mit Bürgergeldbezug als Vermieter*in abzulehnen halte ich für arg frech und entzieht mich jedem Verständnis. Angst und Einsamkeit machen sich breit. Ein neues Leben soll abseits all dessen was war neu gestaltet werden. 

Hat sich dein Leben in der Öffentlichkeit seit deinem Austritt und den darauffolgenden Drohungen verändert?

Natürlich hat es das! Das von mir geliebte Lübeck bezieht sich nur noch auf die bauliche Gestaltung der Altstadt und des Fussballvereines VfB Lübeck. Man möchte einfach nur noch weg von hier! Auch meinen Internet Auftritt hielt ich für über 6 Monate lang clean. Ich befand mich auf keinen der Sozialen Plattformen mehr. Sprich kein Facebook, kein Instagram kein – gar nichts! Erst vor kurzem füttere ich meine neu aufgebaute Webseite (Blog) und mein neu gegründeten Instagram Account wieder. Ich bin vorsichtiger geworden mit dem was ich schreibe, sage und poste! Weit von perfekt, doch lerne ich nie aus. Ärztliche Unterstützung wird mir bei all diesen Schritten zur Seite stehen.

Wie siehst du die politische Landschaft heute, insbesondere im Kontext der anstehenden Bürgerschaftswahl in Lübeck?

Meiner Meinung hat sich die Gesellschaft nach Corona noch weiter gespalten. 
Von den Politiker*innen hören nur noch die wenigsten der ängstlichen und verunsicherten Bevölkerung zu. Es gibt nur noch schwarz oder weiß, die eigene Meinung und die der anderen.

Die andere Meinung ist dabei für den Betrachtenden immer das Böse. Hier muss gravierend angesetzt werden! Aber auch muss es ein Umdenken in der Bevölkerung geben. Ein weiter so, kann es nicht geben. Wir haben mit diesem Planeten schon genug Raubbau betrieben, Ressourcen verschleudert und das Klima- bzw. die Umwelt versaut. Auch hat sich Deutschland über die Jahre kaputt „gespart“. Dieses sieht man auch an den Kommunen, Städten und Ländern. Kaputte Brücken, kaputte Straßen, Lehrkräftemangel, Mangel an Personal in der Altenpflege, kein wirklicher Fortschritt in der Digitalisierung und noch vieles mehr. Selbst Lübeck als Klimanotstandstadt, hat sich mit diesem Slogan eher lächerlich gemacht als sich damit schmücken zu können. Kurz gerade auch in Lübeck wird in der Bürgerschaft viel geredet aber am Ende nichts verändert, verbessert oder umgesetzt. Da die Bürgerschaftswahl schon in Lübeck für das Jahr gelaufen ist, kann ich auch schon mit Gewissheit sagen, dass auch diese Koalitionsbildungen allesamt nichts bringen werden, insofern nicht die eigenen Egos und die der politischen Parteifarben abgelegt werden. Die Bürgerschaft Lübeck muss arg aufpassen, dass von 3 Sitze (2018) zu 4 Sitze (2023) an die AfD zur Bürgerschaftswahl in 5 Jahren (2028) nicht noch mehr Sitze an die AfD vergeben werden. Macht endlich wieder Politik für die Bürger*innen!

Marcel, inwieweit haben sich deine politischen Ansichten geändert? Wie bist du zu dem Umdenken gekommen?

Wie oben schon geschrieben war es eine längere Prozedur mit mehreren Puzzleteilen die zu der Veränderungen von Ansichten geführt hat. Ein großes Puzzlestück war sicherlich auch der persönliche Kontakt zu vielen Tierschützer*innen. Hier lernte ich die Themen Tierschutz, Tierrechte, Veganismus und Ethik stärker kennen und setzte mich in dieser Zeit intensiv damit auseinander. Allein durch den Bereich Ethik (am Tier) formte sich meine neue Menschlichkeit gegenüber alle Lebewesen . Wir sind alles EINS!

Marcel, wie erklärst du dir die Diskrepanz, dass die AfD gegen die Homoehe ist, aber selbst eine verheiratete-, homosexuelle Chefin hat? Sind dies ggf. Fehlinformationen, die gestreut werden?

Hier kann ich nur Mutmaßen. Ich gehe davon aus, dass die Frau Weidel nur „geduldet ist“. Da die Frau rigoros alle anderen Kernpunkte der AfD lebt und eine für manche faszinierende Art und Weise im Sprachgebrauch hat um ihre Wähler*innen zu überzeugen. Ob, sollte und Gott bewahre uns davor, die AfD jemals regieren, dann könnte ich mir vorstellen das auch eine Frau Weidel über kurz oder lang austreten wird oder gar muss!

Welche Ratschläge würdest du Menschen geben, die mit dem Gedanken spielen, die AfD zu wählen?

In einem demokratischen Staat kann ich nicht bestimmten und sagen, wer welche Partei zu wählen hat. Das funktioniert einfach nicht ! Das was ich jedoch tun kann ist aufklären und davor warnen die AfD zu wählen! Auch wenn viele meinen diese Partei aus Protest wählen zu wollen, hängt doch soviel mehr dahinter. Das selbst dieser sogenannte „Protest“ für andere aber auch für sich selbst gefährlich werden kann. Von der Manipulation der eigenen Gedanken durch die Partei der AfD und somit einer schleichenden Radikalisierung, der Gefahr der Überwachung durch den Verfassungsschutz, Abbau von wahren Freundschaften bis hin zum Jobverlust und der Gefahr bei Regierungsbildung, dass die Wirtschaft noch mehr als jetzt eh schon an die Wand gefahren wird. 

Fremdenhass, Diskriminierung und Gewalt an Menschen jeglicher Herkunft, Hautfarbe, Religion oder Erkrankungen sowie Sexualität, haben in einer modernen Gesellschaft heute nichts zu suchen. 

Mit der AfD wird es nicht besser – nur noch schlechter. Gerne können wir uns da unverbindlich austauschen oder ich gebe Ihnen Adressen, Informationen zum Ausstieg aus diesem Klientel.

Siehst du in der AfD, Marcel, rechtsextreme Tendenzen oder ist das eine Ãœbertreibung der Medien?

Als ich noch Mitglied in der Partei der AfD war, gab es in vielen Gebieten der Bundesrepublik Mitglieder und Politiker*innen die dem rechten Spektrum zugesprochen werden müssen. Jedoch empfand ich es damals so, dass dieses noch die Minderheit gewesen zu sein scheint. Vielleicht war ich damals einfach aber auch zu blind. Heute jedoch und es fing alles mit dem Ausstieg von Frauke Petry an, wurde es um das Lager von Höcke und Co immer größer. Heute hast du in jedem Bundesland hochkarätige Rechtsextremisten sitzen. In vielen Bundesländern wird die AfD und auch ihre Jugendabteilung der „JA“ (Junge Alternative) vom Verfassungsschutz zurecht beobachtet. Die zum Teil gemäßigten Reden unter Frauke Petry, Jörg Meuthen und Alice Weidel wichen nun den Radikaleren von Höcke, Chrupalla und Co. Heute muss man nach dem gemäßigtem Flügel ohne rechte Tendenzen regelrecht suchen. Eine Übertreibung ist es von Seiten der Medien nicht. Eher müssen diese sich zwanghaft bemühen irgendwie noch neutral zu bleiben, auch wenn viele am liebsten jeglichen Kontakt und jegliche Interviews mit der AfD meiden wollen.

Wir kennen uns schon lange, Marcel. Trotz deiner politischen Vergangenheit habe ich nie den Kontakt zu dir abgebrochen. Ich habe dir sogar erlaubt, mein Video zur Homo-Ehe 2018 zu teilen. Was denkst du hat Menschen wie mich, einen homosexuellen-, Alt-Punk davon abgehalten, den Kontakt zu dir zu beenden?

Mein lieber Philipp am Ende kannst nur du es beantworten. Du bist ein Mensch der das Herz am richtigen Ort trägt. Ich denk du hast in meinen tiefen des „schwarz“, eigentlich müsste man „braun“ sagen, ein Licht mit Liebe und Mitgefühl gesehen und daran geglaubt, dass ich eines Tages aufwache. Ich danke dir dafür, dass du an mich geglaubt und mich nie aufgegeben hast. Dein Video zur Homo-Ehe habe ich mit Freude angesehen und kann (heute) nicht mehr verstehen, was es einem Menschen überhaupt angeht, mit wem man seine Lebenszeit und sein Bett teilt. Da spielt Geschlecht, Stellung und Vorlieben keine Rolle. Das einzige was zählt ist die Liebe und die Bereitschaft von beiden Seiten diesen Weg zu gehen. – Die nennt man Menschlichkeit !

Warum erhält die AfD deiner Meinung nach so viel Zulauf?

Meiner Meinung nach erhält die AfD so viel Zulauf, weil die Politiker*innen aller Parteien aus dem Bundestag den Bürger*innen nicht mehr zuhört. Sie nehmen die Sorgen, Ängste und Nöte nicht mehr war, beziehungsweise können sich darunter nichts vorstellen. Kaum ein*e Politiker*in war in ihrem Leben mal arbeitslos. Hinzu kommt, dass wir uns als Gesellschaft immer mehr des Egoismus begeben. Es gibt nur noch links oder rechts, schwarz oder weiß, kein Grau und nur noch die eigene Meinung, die definitiv die einzige richtige ist. Kaum ein Mensch ist heute bereit zu verzichten, Ressourcen einzusparen und eben daran Teilhaben das wir die Krise überstehen oder abfedern können. Viele Glauben nicht an den Klimawandel und deren Folgen. Viele sehen Hintergründe wie der der Hungersnot im Zusammenhang mit der Massentierhaltung und vielem weiterem nicht. Wir müssen mehr Kommunizieren, mehr Meinungen anhören und den anderen Gegenüber wieder verstehen lernen. 

Ein so weiter wie jetzt, kann und darf es nicht geben! Die AfD kennt die Ängste, Probleme und Nöte der Bürger*innen und steckt den Finger tief in die Wunde. Doch ihre „Lösung“svorschläge halten wenn nur kurzfristig. Langfristig gesehen würden sie mit ihren „Lösungen“ alles nur noch schlimmer machen. Genau so sehen viele Bürger dies als Protestwahl an, ohne die gravierenden Folgen, siehe oben, zu beachten. 

Siehst du Parallelen zwischen der Protestwahl für die AfD und der Wahl der NSDAP in den 1930ern, oder ist das reine Angstmache, Panikmache der Opposition?

In gewisser Maßen vielleicht schon, ja. Damals war es mehr die Arbeitslosigkeit und heute die schwache Wirtschaft und die Inflation. Sowohl wie damals als auch heute, will man das Böse bekämpfen. Damals hauptsächlich die Juden, heute alle Flüchtlinge. Das was beide wollten bzw. wollen ist Spaltung in der Gesellschaft. Die AfD versucht die Menschen genauso wie einst die NSDAP die Menschen im Land zu beeinflussen, zu bekehren und zu indoktrinieren. Sie haben zu folgen! Und wenn die Menschen hier im Land nichts unternehmen, dann wird man, beobachtet man die Umfrageergebnisse in so manchem Bundesländern, bald ähnliches erleben wie zur NSDAP Zeiten.  Und auf dieses „Back to the Roots“ können wir alle gerne Verzichten!

Wie stehst du zum Dexit und der Steuerpolitik der AfD?

Auch wenn ich wie früher,auch heute noch die Deutsche Mark gerne zurück haben möchte, glaube ich ein DEXIT würde am Ende uns vor noch mehr Schwierigkeiten in der Wirtschaft stellen. Es ist wirtschaftlich alles heute viel zu viel miteinander Verknüpft. Ob so eine Möglichkeit sich offen gehalten werden sollte, muss man vielleicht durch die Beobachtung der Briten, mit ihrem Brexit, weiter verfolgen. Müsste ich heute zwischen DEXIT mit Ja oder Nein abstimmen, gebe es ein Nein! Zur Steuerpolitik der AfD habe ich mich ehrlich gesagt nicht mit befasst. Daher kann ich hier keine Einschätzung abgeben.

Stimmt es, dass die AfD alleinerziehende nicht unterstützen will?

Laut meinem damaligem Stand will die AfD nur das klassische Model – Mama + Papa + Kind fördern. Eine gleichgeschlechtliche oder eine alleinerziehende Methode fand hier im Programm und in den Reden keinerlei Beachtung.

Marcel, was würdest du heute Menschen sagen, die als Protestwähler agieren?

Wählt nicht aus Protest so ein paar Deppen, die kein Mensch braucht! Das sind größtenteils alles hinterwäldlerische Nazis und rechtsextreme Personen, die Deutschland in das Jahr 1933 zurück katapultieren wollen. Lasst uns weggehen vom Egoismus, vom Fremdenhass und uns gemeinsam wieder mehr zuhören und respektieren. Für ein menschliches Miteinander mit Mensch und Tier, statt ein wildes und wütendes mit Hass durchtrieftes Gegeneinander. Macht nicht den selben Fehler wie einst ich! Behaltet lieber einen kühlen Kopf mit klaren Verstand!

Marcell wir danken dir für dieses Interview!

Mehr über Marcell Enzmann im Netz:

Marcell Enzmann – der offizielle Blog:
https://marcelenzmann.wordpress.com/

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