Reboots leben gefährlich: Zu nah an der Vorlage ist langweilig und wirkt wie ein uninspirierte Aufguss. Zu weit davon weg könnte als Verrat wahrgenommen werden. Chilling Adventures of Sabrina löst dieses Dilemma, indem es die Sitcom-Vergangenheit kurz grüßt und dann beherzt in die Finsternis tritt. Sabrinas Coming-of-Age wird in eine okkulte Architektur aus Kirchenpolitik, Höllenmythos und uralten Schrecken verlegt – Teen-Drama als düstere Hexenoper. Von Beginn an gilt: Rituale haben Gewicht, Entscheidungen haben Konsequenzen, und Macht ist immer auch eine Frage von Schuld.
Synopsis
Sabrina Spellman, halb Hexe, halb Sterbliche, steht kurz vor ihrer „Dunklen Taufe“, die sie unwiderruflich an die Church of Night binden würde. Zwischen der strengen Zauberfamilie Spellman, dem verführerischen Machtversprechen der Hölle und ihren sterblichen Freundschaften versucht sie, einen eigenen Weg zu finden – eine Ethik der Verantwortung statt blinder Gefolgschaft. Was als persönlicher Identitätskonflikt beginnt, weitet sich zur Machtfrage über ganze Reiche: Kirche, Hölle und letztlich die Realität selbst geraten ins Wanken, als Eldritch Terrors Greendale heimsuchen. Sabrina will es allen beweisen – und zahlt dafür mit Vertrauen, Liebe und manchmal einem Stück ihrer Seele.
Dramaturgie & Erzählrhythmus
Die Parts als „Grimoire“: Die vier Parts funktionieren wie Kapitel eines Zauberbuchs. Part 1 verhandelt Taufe, Autonomie und den Preis der Zugehörigkeit; Part 2 öffnet die Intrigenkammern der Church of Night; Part 3 ringt mit der Höllenthronfolge und der Versuchung, „das Richtige“ mit falschen Mitteln zu tun; Part 4 lässt die Eldritch Terrors einmarschieren – kosmischer Horror, der die Weltordnung prüft. Jede Staffelhälfte besitzt einen klaren Motor (Fluch, Pakt, Artefakt, Prophezeiung) und sauber gesetzte Zwischenziele.
Rhythmus: Die Serie pendelt elegant zwischen „Fall der Woche“ (Exorzismen, Gerichtsfolgen, Festtage wie Lupercalia) und Metaplot. Cliffhanger entstehen organisch aus früh platzierten Hinweisen. Wenn die Handlung Tempo aufnimmt, bleibt sie lesbar – Rituale sind nicht Effekthuberei, sondern dramaturgische Scharniere.
Konsequenz: Sabrina agiert, statt reaktiv zu stolpern. Das macht sie angreifbar: Ihre Impulsivität produziert echte Nebenwirkungen (Vertrauensbrüche, Opfer), die nicht weggezaubert werden. Genau daraus entsteht der Sog – Entscheidungen sind Türen, die sich hinter ihr hörbar schließen.
Figuren & Schauspiel
Kiernan Shipka schärft Sabrina als kluges, stures, zutiefst empathisches Kraftzentrum: ein Teenager, der Verantwortung will und daran wächst – manchmal schmerzhaft. Michelle Gomez changiert als Lilith/Madam Satan grandios zwischen Camp und Tragödie; Miranda Otto (Zelda) verkörpert Autorität mit feinen Haarrissen, hinter denen Verletzlichkeit aufblitzt. Lucy Davis (Hilda) liefert Wärme und makabren Witz, Chance Perdomo (Ambrose) ist das moralisch-intellektuelle Navigationssystem. Bei den Mortals bilden Jaz Sinclair (Roz), Lachlan Watson (Theo) und Ross Lynch (Harvey) den Erdungspol; Tati Gabrielle (Prudence) wächst vom stolzen Sturm zur tragischen Strategin. Gavin Leatherwood (Nick) bringt die Versuchungskurve, in der Macht, Liebe und Sucht gefährlich nahe beieinanderliegen.
Figurenarbeit: Jede Haupt- und Nebenfigur wird zur Positionierung gezwungen: Kirche vs. Gewissen, Familie vs. Selbstbestimmung, Loyalität vs. Wahrheit. Antagonisten sind selten monolithisch „böse“ – ihre Ziele sind nachvollziehbar, ihre Mittel diskutabel. So entsteht moralische Reibung statt Schwarz-Weiß-Komfort.
Regiehandschrift & Inszenierung
Bildsprache: Weiche Vignetten, sakrale Achsen, Tableaubilder statt Schnittgewitter – Sabrina bevorzugt Komposition vor Effekt. Rituale werden räumlich erzählt (Kreis, Altar, Blickachsen), Dialoge atmen, weil die Kamera Haltung zeigen darf. Das verleiht kleinen Szenen Würde und macht die großen Setpieces (Schattenprozessionen, Hexengerichte, Parallelwelt-Sitcom-Hommage) umso wirkungsvoller.
Handwerk & Kamera: Häufige Close-ups betonen Gelübde, Zweifel, Verführung. Die Farbpalette bleibt gedämpft (Erde, Blut, Ruß) mit präzisen Kontrastakzenten (Kerzen, Sigillen, Uniformen). Die Kamera nutzt langsame Push-Ins für die Andacht der Rituale und starre Einstellungen, um Komik trocken zu servieren.
Weltbau, Ausstattung & Atmosphäre
Greendale wirkt, als läge unter jeder Straße ein Archiv: Kirchenkrypta, Hexenakademie, Wald, Friedhof – alles hat Geschichte, Funktion und Stimmung. Requisiten sind Bedeutungsträger (Sigillen, Bücher, Schlüssel), Kostüme markieren Zugehörigkeiten (strenge Silhouetten im Zirkel, lebendigere Farben bei den Mortals). Licht erzählt, wann Moral kippt; Schatten sind nicht bloß Dunkel, sondern Geometrie.
Effekte & Make-up: Die Serie mischt Practical FX (Masken, Prothesen, Blutbilder) mit VFX, die vor allem in Ritual- und Höllenszenen akzentuieren. Nicht jede Computerebene altert gleich gut, aber das handgemachte Fundament erdet die Welt – besonders in Prozess- und Tempelräumen.
Musik & Sounddesign
Score: Adam Taylors Klangteppich pulst dunkel und organisch – Motive für Ritus, Versuchung und Auflehnung. Pop-Songs sind punktuell gesetzt, kommentieren Haltung statt Szenen zuzukleistern. Das Sounddesign lässt Räume knarzen und Rituale atmen; Zaubersprüche klingen körperlich, nicht digital.
Themen & Motive
Selbstbestimmung vs. Institution: Kirche, Hölle, Familie – alle beanspruchen Sabrinas Identität. Die Serie interessiert weniger, wer Recht hat, sondern was es kostet, sich selbst zu gehören. Daraus ergeben sich Motive wie weibliche Agency, Körper- und Religionspolitik, Umcodierung von Symbolen und – am Ende – der Kampf mit kosmischer Gleichgültigkeit.
Schuld & Preis der Macht: „Gutes“ durchzusetzen wird dann gefährlich, wenn die Mittel korrumpieren. Die Serie bleibt neugierig statt moralpanisch – ambivalent, aber nicht beliebig.
Tempo, Struktur & Klarheit
Die Parts sind straff organisiert: klare Zwischenziele, nachvollziehbare Eskalationsstufen, Cliffhanger, die vorbereitet wurden. Wenn die Serie überfrachtet wirkt, liegt es eher am Mut, ideell groß zu denken, als an unsauberer Struktur. Insgesamt bleiben die Ermittlungsschritte (Wer plant was mit wem – und wozu?) präzise lesbar.
Kleine Schönheitsfehler (ohne die Bilanz zu trüben)
Mitunter stapelt die Serie Konfliktachsen (Teen-Romanzen plus Kirchenpolitik plus kosmischer Horror), sodass Emotionen kurzatmig werden. Einige VFX-Shots sind sichtbar Budgetkanten. Und eine kreative Entscheidung spaltet Fans: (Mein Philipp, übrigens Namensähnlichkeit mit unserem Chefredakteur sind „Rein Zufällig“, fand es ganz doof, dass Salem in dieser Serie nicht spricht.) Stilistisch konsequent, ja – emotional schade, weil gerade die zynische Salem-Stimme der 90er-Version Spannungen elegant entlastete.
Kurz-Synopsis pro Part (2–3 Sätze)
Part 1: Sabrina ringt um ihre Taufe und versucht, Kirche und Sterblichenwelt zu vereinen, ohne sich zu verraten. Prozesse, Flüche und Familiengeheimnisse definieren die Spielregeln – und zeigen, was Unabhängigkeit wirklich kostet.
Part 2: Die Church of Night zerreibt sich zwischen Tradition und Reform. Sabrina lernt, dass Macht Strukturen nicht nur offenlegt, sondern in Versuchung führt – und dass Loyalität ohne Wahrheit hohl ist.
Part 3: Höllenpolitik trifft Herzensfragen: Der Thron ruft, doch jede Abkürzung fordert Tribut. Doppelgänger-Motive und Bündnisse auf Zeit stellen Sabrinas Selbstbild auf die Probe.
Part 4: Eldritch Terrors zersetzen Sicherheit und Sinn. Der Kampf wird existenziell – gegen das gleichgültige Universum und die eigenen blinden Flecken.
Part-für-Part-Minibewertung (Highlights, Setpieces & quotable lines)
Part 1 – Initiation & Identität (8,6/10)
➤ Stärkste Episoden: „Chapter Two: The Dark Baptism“, „Chapter Three: The Trial of Sabrina Spellman“, „Chapter Six: An Exorcism in Greendale“, „Chapter Seven: Feast of Feasts“.
➤ Setpieces: Nächtliche Taufe im Wald; Hexengericht mit Blood-Oath-Rhetorik; Exorzismus als Familiendrama; makabres „Feast of Feasts“.
➤ Quotable: „My name is Sabrina Spellman, and I will not sign away my soul.“
Part 2 – Kirche, Macht, Versuchung (8,8/10)
➤ Stärkste Episoden: „Chapter Twelve: The Epiphany“, „Chapter Fourteen: Lupercalia“, „Chapter Fifteen: Doctor Cerberus’s House of Horror“, „Chapter Twenty: The Mephisto Waltz“.
➤ Setpieces: Lupercalia zwischen Begehren und Regelwerk; Spiegel-/Albtraum-Episodenbau; finale „Waltz“-Konfrontation.
➤ Quotable: „Not today, Satan.“
Part 3 – Höllenpolitik & Doppelgänger (8,7/10)
➤ Stärkste Episoden: „Chapter Twenty-One: The Hellbound Heart“, „Chapter Twenty-Four: The Hare Moon“, „Chapter Twenty-Seven: The Judas Kiss“, „Chapter Twenty-Eight: Sabrina Is Legend“.
➤ Setpieces: Krönungsritual in der Hölle; Hare-Moon-Zeremonie unter Belagerung; Judas-Heist-Dynamik; Sabrina vs. Sabrina als moralisches Paradoxon.
➤ Quotable: „Queens make their own rules.“
Part 4 – Eldritch Terrors & Endspiele (8,9/10)
➤ Stärkste Episoden: „Chapter Thirty: The Uninvited“, „Chapter Thirty-One: The Weird“, „Chapter Thirty-Five: The Endless“, „Chapter Thirty-Six: At the Mountains of Madness“.
➤ Setpieces: Das ungebetene Wesen als moralischer Lackmustest; Körper-Horror der „Weird“; Meta-Sitcom „The Endless“; apokalyptisches Finale.
➤ Quotable: „If the universe is indifferent, we don’t have to be.“
Vergleich zu früheren Sabrina-Iterationen
Sabrina – total verhext! setzte auf Sitcom-Charme, sprechenden Kater und episodische Alltagskonflikte. Chilling Adventures entscheidet sich für Gravitas, Mythologie und echte Einsätze. Herz, Freundschaft, Humor bleiben – nur die Ironie ist trockener, der Schmerz tiefer, die Magie ritualisiert statt verspielt. Wem die 90er-Version Trost bot, bekommt hier Katharsis.
Unsere Wertung:
➤ Schauspielerische Leistung: 9,0 von 10 Punkten
➤ Produktion & Ambiente: 8,9 von 10 Punkten
➤ Storyline: 8,6 von 10 Punkten
➤ Soundtrack: 8,3 von 10
➤ Gesamtwertung: 8,7 von 10 Punkten
Unser Fazit:
Chilling Adventures of Sabrina ist die seltene Neuinterpretation, die eine Pop-Ikone nicht glättet, sondern vertieft. Stil, Mythos, Haltung – alles greift. Kiernan Shipka trägt die Serie mit kontrollierter Energie, das Ensemble hält die Balance zwischen Pathos und Witz, und die Inszenierung bleibt der eigenen Bildsprache treu: gothische Eleganz statt Effektlärm. Kleine Schwächen hin oder her – diese Sabrina beschäftigt über das Finale hinaus.
Besetzung und Details
Produktionsfirmen / „Filmstudio“
- Warner Bros. Television
- Berlanti Productions
- Archie Comics
- Muckle Man Productions
- Kiernan Shipka – Sabrina Spellman
- Michelle Gomez – Mary Wardwell / Madam Satan / Lilith
- Miranda Otto – Zelda Spellman
- Lucy Davis – Hilda Spellman
- Chance Perdomo – Ambrose Spellman
- Jaz Sinclair – Rosalind „Roz“ Walker
- Lachlan Watson – Theo Putnam
- Ross Lynch – Harvey Kinkle
- Tati Gabrielle – Prudence Night
- Gavin Leatherwood – Nick Scratch
- Richard Coyle – Father Faustus Blackwood
- Adeline Rudolph – Agatha
Regie (Auswahl)
- Lee Toland Krieger (Pilot/Einstieg)
- Rob Seidenglanz
- Maggie Kiley
- Michael Goi
- Viet Nguyen
- Lisa Soper
- Alex Pillai
Showrunner / Serienschöpfer
- Roberto Aguirre-Sacasa
Produzenten (Auswahl)
- Roberto Aguirre-Sacasa, Greg Berlanti, Sarah Schechter, Jon Goldwater, Lee Toland Krieger
Musik
- Adam Taylor (Score)
Mehr zu Sabrina im Netz
„Chilling Adventures of Sabrina“ auf Netflix ansehen:
https://www.netflix.com/title/80223989
Offizielles Instagram:
https://www.instagram.com/sabrinanetflix/

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