Ein weiteres Highlight unserer Halloweek: „The Revenge Of Alice Cooper“ von Alice Cooper — ein Album mit dem in diesem Leben- bzw. in dieser Dimension wohlmöglich keiner mehr gerechnet hätte: In Besetzung der Originalband! Ein Comeback-Album, das die Shock-Rock-DNA der Originalformation düster auflädt und dabei so fokussiert wirkt, als hätten Dennis Dunaway, Michael Bruce, Neal Smith und Alice Cooper keinen einzigen Nachtzug zwischen 1973 und heute verpasst. Produziert von Bob Ezrin und veröffentlicht bei earMUSIC, entfaltet diese Rückkehr eine spürbar „spooky“ Atmosphäre: kalte Räume, scharfkantige Riffs, Zischen im Off — und Hooks, die sich wie Schatten an die Wand heften.
Die Rückkehr der Originale: Kontext, Chemie, Selbstbild
Wenn die Namen Dennis Dunaway, Michael Bruce, Neal Smith und Alice Cooper heute wieder gemeinsam auf einem Albumcover stehen, dann ist das mehr als Nostalgie-Management. Man hört vom ersten Takt an die alte Handschrift: bissige Riffs, pointierte Rhythmik, ein Gespür für dramaturgische Pausen. Produzent Bob Ezrin hält den Sound kompakt, lässt aber genug Raum, damit die düsteren Farben schimmern. Das Album verneigt sich vor der Vergangenheit, ohne zu erstarren: Die Band agiert mit der Zuversicht eines Kollektivs, das weiß, wie man Spannung aufbaut — und wie man sie im exakt richtigen Moment abreißt.
Klangbild & Produktion: trocken, knackig, geistertauglich
Das Produktionsdesign von „The Revenge Of Alice Cooper“ ist absichtlich rau. Gitarren tragen ein körniges Oberflächenrauschen, das an kaltes Metall erinnert; der Bass von Dennis Dunaway klingt wie ein dunkler Gang, der in der Ferne aufleuchtet; die Drums von Neal Smith sind trocken abgemischt und geben den Songs diese unnachgiebige Vorwärtsbewegung. Bob Ezrin setzt auf Kontraste: kurze Räume in den Strophen, weit aufgezogene Refrains, gelegentliches Doppeln der Stimmen von Alice Cooper für eine dezente Geisterwirkung. Der Mix unterstreicht die Suspense — keine Überfrachtung, dafür viele feine Setzungen, die im Kopfhörer wie kalte Luftzüge wirken.
Track für Track: 14 starke Tracks zwischen Grusel und Glam
„Black Mamba“:
Ein Auftakt wie eine Beschwörung. Das Riff schleicht, dann schnappt es zu. Alice Cooper phrasierte selten so scharf: jedes „s“ wie ein Zischlaut, jedes „b“ wie ein Schlag im Dunkel. Der Refrain hat diese klassische Alice Cooper-Erhabenheit, nur ohne jede falsche Patina — hier herrscht trockene Kälte, die von unten heraufzieht. Der Mittelteil öffnet kurz ein psychedelisches Fenster, bevor die Band wieder zupackt. Ein Signature-Moment, der die Tonalität des Albums vorgibt: giftig, fokussiert, geschmeidig.
„Wild Ones“:
Die Band fährt die Motorik hoch. Rhythmische Stabs, ein Bass, der wie ein knarzender Boden unter den Stiefeln klingt, und Chöre, die im Refrain aufglimmen. Inhaltlich knüpft der Track an das Außenseiter-Motiv an, musikalisch spiegelt er den frühen Alice Cooper-Drive: geradlinig, dreckig, aber mit melodiöser Leuchtkraft. Das Gitarrenduo um Michael Bruce arbeitet mit kleinen Widerhaken-Phrasen; live dürfte der Song zum kollektiven Aufstampfen führen.
„Up All Night“:
Der Titel verrät die Haltung. Kurze, pulsierende Gitarrenfiguren, die Drums setzen trockene Achtel, während Alice Cooper den Text wie eine nächtliche Szene aufzieht. Der Refrain reißt das Fenster auf — ästhetisch irgendwo zwischen Garagen-Schmutz und stadiontauglicher Hook. Fein: die kleine harmonische Drehung vor dem letzten Chorus, die Spannung und Höhe vergrößert.
„Kill The Flies“:
Ein Mini-Horrorfilm im Songformat. Das Riff klebt förmlich — passend zum Motiv — und die Percussion streut Details wie Rascheln hinter der Tür. Alice Cooper spielt die Rolle mit sardonischem Humor; die Band hält die Zügel so straff, dass jeder Break wie ein scharfer Schnitt wirkt. Der Refrain brennt sich ein, ohne die Strophenspannung zu nivellieren.
„One Night Stand“:
Hier tritt der Glam-Impuls aus der Frühära ins Licht. Die Backing-Vocals sind wie kleine Statisten, die die Pointe betonen, das Gitarrensolo bleibt melodisch, nicht virtuos — genau die richtige Dosis. Der Beat von Neal Smith schiebt mit den Hüften, der Bass von Dennis Dunaway tanzt um die Hauptlinie herum und verleiht den Strophen elegante Beweglichkeit.
„Blood On The Sun“:
Ein Midtempo-Stampfer mit dramatischem Anflug: breite Akkorde, ein Refrain, der sich aufspannt und die Perspektive erweitert. Die Band gönnt sich im Mittelteil psychedelische Schlieren, bevor sie wieder auf die Gerade geht. Das Arrangement klingt groß, ohne überladen zu sein — ein Paradebeispiel für die disziplinierte Opulenz dieser Platte.
„Crap That Gets In The Way Of Your Dreams“:
Titelwitz und Biss in Personalunion. Musikalisch prallt Garage auf Glam, textlich grinst die Band über jene Hindernisse, die jede künstlerische Biografie kennt. Die Hook sitzt trocken, die Gitarren werfen sich die Stichworte zu, und Bob Ezrin verpasst dem Ganzen eine Mischung, die knirscht und rollt zugleich.
„Famous Face“:
Ruhm als Maske — natürlich ein Motiv, das Alice Cooper seit je virtuos spielt. Der Song arbeitet mit einer geschmeidigen Gitarrenfigur, die im Refrain aufblüht. Der Text zeichnet nicht zynisch, sondern beobachtend: Glamour hat Kälte, aber auch magnetische Wirkung. Der Spannungsbogen bleibt schlank, die Silbenführung präzise.
„Money Screams“:
Tiefer Bass, knappe Gitarren-Einwürfe, ein Rhythmus, der wie ein kaltes Neon flackert. Die Produktion lässt Luft zwischen den Instrumenten; genau dadurch entsteht dieser bedrohliche Sog. Alice Cooper singt kontrolliert dunkel — nicht theatralisch, sondern pointiert. Ein Ruhepol im besten Sinne: reduziert, aber eindrücklich.
„What A Syd“:
Ein Augenzwinkern in Richtung Psychedelia, ohne nostalgisch weichzuzeichnen. Die Strophen sind scharf gezeichnet, der Refrain wirkt wie ein Spiegel, der das Licht bricht. Musikalisch bleibt die Band kantig; kleine Orgel- oder Gitarrentexturen funkeln wie Glas in der Dämmerung. Ein Song, der zeigt, wie souverän Alice Cooper mit Referenzen umgeht.
„Inter Galactic Vagabond Blues“:
Space-Anmutung mit staubigen Stiefeln. Slide-Schimmer, ein trockenes Drum-Fundament, lakonische Zeilen — der Track baut eine nächtliche Kulisse, in der der Horizont leuchtet. Besonders stark ist das Wechselspiel aus gemurmelten Strophen und einem Refrain, der den Raum weitet.
„What Happened To You“:
Das emotionale Zentrum. Gitarrentexturen wie alte Polaroids, eine Melodie, die sich langsam vorwärts tastet. Alice Cooper singt mit zurückgenommener Autorität; die Band umrahmt ihn behutsam, ohne den Kern zu verwischen. Die Bridge setzt genau den einen Farbtupfer, der dem Song Tiefe gibt, bevor der Refrain ein zweites Mal ansetzt.
„I Ain’t Done Wrong“: Ein geradliniger Rocker, der Haltung zeigt, ohne in Parolen zu verfallen. Die Gitarre bekommt eine zweite Stimme, kein Show-Off, sondern melodisches Gegenüber. Neal Smith hält die Zügel knapp, Dennis Dunaway verdrahtet Groove und Hook — ein Song, der live wie ein Funke funktionieren dürfte.
„See You On The Other Side“: Ein Abschied, der als Versprechen gelesen werden kann. Die Instrumentierung lässt Raum, der Gesang bleibt nah, fast intim. Der Refrain trägt Weite in sich — nicht pathetisch, sondern würdevoll. Als Schlusspunkt schlägt der Song eine Brücke zwischen Erinnerung und Gegenwart und lässt das Album mit einem leisen Schaudern ausklingen.
Texte & Rollenarbeit: das makabre Theater
Die Lyrik auf „The Revenge Of Alice Cooper“ bleibt dem makabren Theater treu, das die Band seit Jahrzehnten definiert: Figuren mit Schattenrändern, Obsessionen, kleine Objekte des Grauens. Entscheidend ist die Dosierung: Statt blumiger Überdehnung setzt Alice Cooper auf klare Szenen, die sofort Kopfkino erzeugen. Ironie und Empathie liegen dicht beieinander; der Erzähler zeigt mit schmutzigen Fingern auf die Bühne — und nickt dem Publikum zu. So entsteht eine seltsam warme Kälte: unheimlich, aber anziehend.
Bandhandwerk: vier Pfeiler, eine Silhouette
Die Rhythmussektion mit Dennis Dunaway und Neal Smith baut ein Netz aus trockenen Impulsen und melodischer Beweglichkeit; Michael Bruce zeichnet die Konturen mit Gitarren, die eher sprechen als schreien. Bob Ezrin rahmt das Ensemble mit präzisem Produktionsblick: Kleine Gang-Vocals, kurze Orgel-Schatten, punktierte Percussion — alles dient der Spannungslinie. Das Ergebnis ist ein Sound, der rau und edel zugleich wirkt: kein Retro-Staub, sondern geerdete Eleganz.
Dramaturgie & Sequencing: Kälte, Glanz, Nachhall
Die Abfolge der Stücke ist klug gesetzt: Nach dem schleichenden Gift von „Black Mamba“ verdichtet sich das Album über rockende Mittelteile („Wild Ones“, „Up All Night“), bevor die späten Tracks die melancholische Note nach vorne holen („What Happened To You“, „See You On The Other Side“). Immer wieder arbeitet die Band mit Licht-und-Schatten-Momenten: enge, raue Strophen, dann ein Refrain, der den Raum öffnet. Dieser Pendelschlag macht die Platte außerordentlich wiederhörbar.
Spooky Atmosphäre, musikalische Souveränität
Was die Wirkung besonders prägt, ist die konsequente, „spooky“ Grundstimmung. Sie entsteht nicht allein aus Texten und Bildern, sondern vor allem aus der Art, wie die Musik atmet: die knappen Räume, die trockenen Trommeln, die glitzernden Obertöne der Gitarren. Alice Cooper setzt seine Stimme wie eine Requisite, die mal nah, mal fern wirkt — nie übertrieben, immer wirkungssicher. Diese Souveränität sorgt dafür, dass das Album zugleich unmittelbar und langlebig bleibt.
Einordnung im Kanon: Tradition, Gegenwart, Bühne
„The Revenge Of Alice Cooper“ schließt nicht nur an Klassiker an; die Platte klingt, als sei sie für die Bühne mitgedacht. Mehrere Songs schreien förmlich nach Setlist-Plätzen: „Wild Ones“ für den kollektiven Adrenalinschub, „Up All Night“ als Groove-Dauerläufer, „I Ain’t Done Wrong“ als kurzer, fester Haken in der Mitte, „See You On The Other Side“ als finales Glimmen. Der Studio-Charakter bleibt gleichwohl präsent: Die Arrangements sind präzise, die Takes wirken konzentriert; nichts ist zufällig, alles hat Kontur.
Unsere Wertung:
➤ Songwriting: 9 von 10 Punkten
➤ Komposition 8 von 10 Punkten
➤ Musikalische Fähigkeit: 10 von 10 Punkten
➤ Produktion: 9 von 10 Punkten
➤ Gesamtwertung: 9,5 von 10 Punkten
Unser Fazit:
Eine kalte Brise über heißem Asphalt
„The Revenge Of Alice Cooper“ ist ein spätes, starkes Statement der Originalformation Alice Cooper: rockende Geschlossenheit, geschärfte Melodien, ein Sound, der die Kälte liebt und die Hook nicht vergisst. Bob Ezrin hält die Fäden mit ruhiger Hand, das Label earMUSIC liefert die passende Bühne. Vor allem aber: Diese Songs behalten ihre Aura, wenn das Licht runtergedimmt ist. Wer mit Alice Cooper groß geworden ist, findet hier den vertrauten Biss in frischer Form — und alle anderen bekommen eine Einladung in einen Kosmos, der Grusel mit Stil feiert.
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