„Polyphonic Exophilia“ präsentiert mit „Deep Diver“ ein facettenreiches, instrumental angelegtes Jazz-Funk-Album, das zugleich eine kosmische Erzählung in sich birgt. Diese zweite Studioveröffentlichung der renommierten Gruppe verknüpft musikalische Virtuosität mit einer raumfahrtsähnlichen Geschichte über eine Mission, die auf tragische Weise endet. Dabei zieht die Band sämtliche Register ihres Könnens und liefert ein Werk, das sowohl tanzbare Momente als auch sphärische Klänge in perfekten Einklang bringt.
Der Auftakt: „The deep dive“
Gleich der erste Track, „1. The deep dive“, eröffnet das Album mit einer ausdrucksstarken Kombination aus treibenden Bassläufen, reichhaltigen Keyboard-Flächen und prägnanten Horn-Einwürfen. Der energetische Drumsound hält die verschiedenen Klangebenen zusammen und sorgt für eine rhythmische Dichte, die sofort in den Bann zieht. Im direkten Vergleich zu älteren Veröffentlichungen von „Polyphonic Exophilia“ wirkt die Band hier besonders fokussiert. Jede Note sitzt, und das Zusammenspiel der Instrumente verleiht dem Stück eine schnelle Funky-Note, die sich unverkennbar von der ersten bis zur letzten Sekunde durchzieht.
Steigende Spannung in „20 watt cloud of energy“
Mit „2. 20 watt cloud of energy“ werden die Klangflächen weiter vertieft und entfalten eine fast schon futuristische Atmosphäre. Der Titel lässt vermuten, dass die Reise ins All nun wirklich begonnen hat. Elektronische Elemente und tanzbare Bassgrooves verschmelzen zu einem Groove-Fundament, dem man sich nur schwer entziehen kann. Die pulsierenden Linien sorgen für eine dynamische Spannungskurve. Gleichzeitig trägt der Track eine gewisse Leichtigkeit in sich, die jedoch nie ins Banale abdriftet.
Beruhigende Weltraum-Kulisse: „Into the unknown“
Im Anschluss bietet „3. Into the unknown“ einen kontrastreichen Ruhepol. Die Band drosselt das Tempo, zieht aber mit ihrer markanten Funk-Basis und sanften Keyboard-Melodien die Hörerinnen und Hörer weiterhin in den Bann. Die Komposition klingt dabei nach einem Moment der Reflexion mitten im All – ein kurzer Innehalten, bevor das nächste Abenteuer ruft. Besonders die verschachtelten Bassfiguren und eine prägnante, aber unaufdringliche Drumarbeit fangen die Stimmung gelungen ein.
Blick auf neue Welten: „First glimpse of LP 890-9c“
Sobald „4. First glimpse of LP 890-9c“ einsetzt, ändert sich das Klangbild erneut. Die Band setzt auf fließende Indie-Rock-Elemente, garniert mit verspielten Retro-Synth-Details und einem stimmungsvoll integrierten Bläserpart. Der Aufbau des Stücks erinnert an Filmmusik, die eine fremdartige, entlegene Welt erfahrbar macht. Diese fiktive Umgebung wirkt gleichzeitig rätselhaft und einladend, was gut zum Inhalt des Albums passt: Die Besatzung entdeckt einen Planeten, doch ahnt niemand die bevorstehende Wendung.
Musikalische Wendungen in „Style is the answer to everything“
Mit „5. Style is the answer to everything“ führt „Polyphonic Exophilia“ die Hörerschaft in noch experimentellere Gefilde. Ein ausgedehnter Horn-Part legt den Fokus auf erzählerische Improvisationen, bevor sich immer mehr Sounddetails hinzugesellen. Eine gewisse jazzige Unberechenbarkeit im Verlauf sorgt dafür, dass das Stück lebendig bleibt. Neben verspielten Harmonien und komplexen Rhythmen stechen besonders die akzentuierten Saxophon-Passagen heraus.
Der ausgedehnte Mittelteil: „ 126° passage“
Der Titel „6. 126° passage“ markiert den längsten Track auf dem Album und arbeitet mit atmosphärischen Fuzz-Elementen und einer subtil psychedelischen Note. Zu Beginn legt ein zurückhaltender, lo-fi-ähnlicher Klang den Grundstein, der sich immer weiter verdichtet. Mit wachsender Spielzeit treiben groovende Basslines und flirrende Gitarren den Sound voran. Auch die Flöte findet hier ihren Einsatz und verleiht dem Track eine träumerische Note. Es entsteht ein vielschichtiger Kosmos, der trotz deutlicher Experimentierfreude den roten Faden des Albums nicht verliert.
Funk und Weltoffenheit: „Hanami & momijigari“
„7. Hanami & momijigari“ erweckt ein feierliches, fast festliches Gefühl. Hier treffen weltmusikalische Einflüsse auf funkige Rhythmen und geben dem Stück eine warme, animierende Ausstrahlung. Die sanft pulsierenden Drums und die eingängigen Harmonien bilden einen uplifting Groove, der sich gut in das Gesamtkonzept einfügt. Die euphorischen Momente schaffen gleichzeitig eine Brücke zwischen Jazz-Funk-Tradition und moderner Offenheit, was sich bei „Polyphonic Exophilia“ als Markenzeichen etabliert hat.
Spiegelbild des Miteinanders: „ I am, essentially through others“
Der achte Track, „8. I am, essentially through others“, schlägt eine Brücke zwischen tänzerischen Grooves und nachdenklicher Tiefe. Für einen Moment verweilen die Instrumente in fast meditativen Passagen, um sogleich wieder in mitreißende Funk-Parts überzugehen. Die starken Reverb-Effekte auf manchen Instrumentalspuren untermalen eine introspektive Atmosphäre. Anklänge an Soul und Neo-Soul machen das Stück zu einem der Höhepunkte, das gleichzeitig die thematische Essenz des Albums – das Lernen durch gemeinsame Erfahrung – musikalisch verkörpert.
Finale Klarheit: 9. Staring at the sun“
„9. Staring at the sun“ fungiert als passender Ausklang, der noch einmal neue Facetten einführt. Es eröffnet sich eine nostalgisch-amerikanisch anmutende Szenerie, in der ein Hauch von Sitar-Klängen (gespielt vom Gastmusiker churrogreen) mitschwingt. Der Song verbreitet eine warme, fast sonnengetränkte Stimmung und bündelt die intensiven Erfahrungen der Raumfahrer, bevor letztlich alles seinem unumgänglichen Ende entgegenblickt. Die hinzutretende Saxophon-Melodie verstärkt das Gefühl einer zugleich melancholischen und hoffnungsvollen Rückschau.
Konzept und visuelle Gestaltung
„Deep Diver“ erscheint als limitiertes 180-Gramm-Vinyl in einem besonderen „dirt yellow“-Ton. Die Pressung entstand in der nachhaltigen Manufaktur RPM Records in Kopenhagen und verdeutlicht das Engagement für umweltbewusste Produktion. Ein zusätzliches Highlight ist das beiliegende Insert, in dem Autorin Heather Henderson die Geschichte des misslungenen Weltraumabenteuers schildert. Dadurch erhält das Album eine ganz neue Dimension: Wer beim Hören den Text liest, erlebt die Handlung von „Voyager 4“ und ihrer Kapitänin Tessa Calder alias Nova aus erster Hand. Das Artwork wurde vom norwegischen Künstler Håkon Holm Olsen entworfen, dessen Handschrift bereits in früheren Projekten von „Polyphonic Exophilia“ erkennbar war.
Unsere Wertung:
➤ Songwriting: 9 von 10 Punkten
➤ Komposition: 9 von 10 Punkten
➤ Musikalische Fähigkeit: 9 von 10 Punkten
➤ Produktion: 9 von 10 Punkten
➤ Gesamtwertung: 9 von 10 Punkten
Unser Fazit:
„Deep Diver“ stellt eine stimmige Symbiose aus packender Jazz-Funk-Energie, progressiver Neo-Soul-Ästhetik und erzählerischer Tiefe dar. Vom druckvollen Start in „The deep dive“ über das experimentierfreudige „Style is the answer to everything“ bis hin zum verträumten Finale in „Staring at the sun“ gelingt „Polyphonic Exophilia“ der Spagat zwischen Komplexität und Hörgenuss. Die Geschichte über eine Raumfahrt-Mission, die trotz tragischem Ausgang wertvolle Erkenntnisse über das Leben liefert, wird mithilfe der erstklassigen Instrumentalparts eindrucksvoll vermittelt. Hinzu kommt die ästhetisch ansprechende Vinyl-Veröffentlichung, die durch ihr Konzept und die hochwertigen Materialien überzeugt. Wer sich auf diese ambitionierte Reise einlässt, entdeckt in jedem Track neue klangliche Details und eine Botschaft, die zum Nachdenken anregt. So entsteht ein Album, das in vielerlei Hinsicht begeistert und Lust auf weitere Veröffentlichungen dieser kreativen Formation macht.
Mehr zu Polyphonic Exophilia im Netz:
Polyphonic Exophilia bei Instagram:
https://www.instagram.com/ppxpinsta/
Das Album The Deep Dive bei den Musikdiensten und auf Vinyl:
https://ffm.to/deepriver