„Fences“ ist nicht einfach nur ein weiteres Country-Album; sondern vielmehr das sorgfältig gewebte Resultat jahrelanger Erfahrung, die Joe Wilkinson als Songwriter und Gitarrist gesammelt hat, verbunden mit der feinen Produzentenhand von Steve Watson. Schon die Vorab-Single „Travelin’ On“ lässt erahnen, wie sehr das Werk die „erdigen Aromen“ atmet, die Kritiker bereits hervorheben. Von der ersten Akustikgitarre bis zur letzten Pedal-Steel-Note vermitteln alle zehn Titel eine natürliche Wärme, die an die weiten Ebenen des amerikanischen Südwestens erinnert und doch gleichzeitig urbanes Songwriter-Feingefühl in sich trägt. Dabei wirkt jeder Ton wie ein Blick über einen frisch gezogenen Weidezaun – der Albumtitel „Fences“ erhält eine symbolische Mehrdeutigkeit: Grenzen werden gezogen, aber auch überwunden.
Songwriting zwischen Tradition und persönlicher Note
Die Wurzeln von Joe Wilkinson reichen – wie seine Biografie zeigt – von den Rolling Stones bis zu Townes Van Zandt. Auf „Fences“ verdichtet er diese Einflüsse zu Songs, die altbekannte Country-Themen wie Heimat, Verlust und Hoffnung berühren, ohne in Klischees zu verfallen. Titel wie „One Last Time“ oder „Sometimes We Need Love“ setzen auf eingängige Hooklines, die sich dennoch nie anbiedern. Die Texte bleiben klar, beobachten Alltagsmomente präzise und verweben sie mit poetischen Bildern. Das alles geschieht in einer ökonomischen Sprache, die eines Neil Young oder Bob Dylan würdig ist, ohne diese Ikonen zu kopieren. Besonders beeindruckend ist der dramaturgische Bogen: Jeder Track steht für sich, doch im Gesamtverlauf wird ein subtiler innerer Dialog sichtbar – ein Gespräch über persönliche Grenzen, gesellschaftliche Zäune und die Suche nach innerer Freiheit.
Virtuoses Zusammenspiel: Die Band im Detail
Ein Album ist nur so stark wie seine Musiker, und hier glänzt jeder Einzelne. Leland Sklar liefert am Bass ein Fundament, das geradezu organisch pulsiert; sein Spiel in „Accepting“ legt eine weiche Tiefe unter die Gitarrenarbeit von Joe Wilkinson. John Ginty sorgt an den Keyboards für soulige Farbtupfer, die den Country-Sound um gospelige Wärme erweitern. Das perkussive Rückgrat entsteht durch Fredo Ortiz, dessen Drumming zwischen laid-back-Groove und antreibender Präzision pendelt. Ein besonderes Glanzlicht setzt Buck Reid mit seiner Pedal Steel Guitar: In Songs wie „Sometimes We Need Love“ zeichnet er weite Klangbögen, die den Stücken ihr bittersüßes Leuchten verleihen. Nicht zuletzt zeigt Steve Watson selbst an den Streichern, wie sensibel sich orchestrale Elemente in ein Country-Arrangement einfügen lassen – niemals aufgeblasen, stets songdienlich. Diese kollektive Leistung macht „Fences“ zu einem Lehrstück für musikalische Balance: Virtuosität dient hier ausnahmslos dem Song.
Klangarchitektur der Watson House Studios
Aufgenommen wurde das Album in den Watson House Studios in Pasadena, einem Raum, der für seine warmen Holzpaneele und einen Mix aus analoger sowie moderner Digitaltechnik bekannt ist. Steve Watson nutzt diesen akustischen Charakter meisterhaft: Die Gitarren klingen offen, der Bass wohlig rund, die Drums besitzen genau jene trockene Präsenz, die an Klassiker der frühen Siebziger erinnert. Besonders bemerkenswert ist der luftige Raum, den die Produktion jedem Instrument zugesteht. Selbst in dichter arrangierten Passagen – etwa im Finale von „Lost Until I’m Found“ – bleiben Transparenz und Stereo-Tiefenstaffelung erhalten. Das Zusammenspiel von Engineering und Mixing verleiht dem Album einen zeitlosen Klang, der sowohl auf hochwertigen Anlagen als auch über Streaming-Kopfhörer seine Detailfülle entfaltet.
Unsere Wertung:
➤ Songwriting: 8 von 10 Punkten
➤ Komposition: 9 von 10 Punkten
➤ Musikalische Fähigkeit: 10 von 10 Punkten
➤ Produktion: 9 von 10 Punkten
➤ Gesamtwertung: 8,5 von 10 Punkten
Unser Fazit:
Ein Werk zwischen Respekt und Aufbruch
Mit „Fences“ legt Joe Wilkinson ein Debüt vor, das die Erfahrung seiner musikalischen Wegstrecke bündelt und zugleich frischen Wind in das moderne Country-Songwriting bringt. Steve Watson und die versammelten Spitzenmusiker beweisen, dass subtile Arrangements, präzises Handwerk und emotionales Storytelling keine Gegensätze sind. Jeder Track fühlt sich ehrlich an, als hätte man ihn in einer stillen Sommernacht auf der Veranda gehört, während die Grillen zirpen. Gleichzeitig ist die Platte reich an kompositorischen Feinheiten, die auch nach dem dritten Hören noch neue Details offenbaren. Wer Country- und Americana-Musik schätzt, wird in „Fences“ einen Begleiter finden, der sowohl die Tradition ehrt als auch mutig über den eigenen Zaun blickt – und damit genau das tut, was guter Songwriter-Country tun sollte: verbinden statt trennen.
Mehr zu Joe Wilkinson im Netz:
Joe Wilkinson – Die offizielle Webseite:
https://www.joewilkinsonmusic.net/
Joe Wilkinson bei Spotify anhören:
https://open.spotify.com/artist/5jpsEQoBgXvQ0kUlGL34cM