Mit seiner neuesten Single „Shub-Niggurath“ betritt der bulgarische Komponist Anton D. alias Cactus Erectus einmal mehr die düsteren Gefilde des Dark Ambient. Seit der Transformation seines Projekts von aggressivem Breakcore hin zu cineastischem Horror-Ambient hat Cactus Erectus eine Nische kultiviert, die sich klar von der Masse elektronischer Musik abgrenzt. „Shub-Niggurath“ ist kein Song im klassischen Sinne – es ist eine klangliche Beschwörung, ein akustisches Ritual, das tief in die Ästhetik des kosmischen Horrors eintaucht.
Die Ästhetik des Unaussprechlichen
Benannt nach einer legendären Kreatur aus dem Lovecraft’schen Mythos, gelingt es „Shub-Niggurath“, die unbeschreibliche Faszination des Unbekannten in eine hörbare Form zu gießen. Schon der Titel deutet an, dass es sich nicht um einfache Unterhaltung handelt, sondern um ein audiovisuelles Kunstwerk, das sich zwischen Klanginstallation und Filmmusik bewegt. Die Soundlandschaften erinnern an verloren geglaubte Radioübertragungen aus einer anderen Welt, an das Flüstern uralter Götter jenseits der Zeit.
Sounddesign zwischen Kosmos und Abgrund
Das Herzstück von „Shub-Niggurath“ ist das meisterhafte Sounddesign. Cactus Erectus entfaltet hier ein Universum aus schwebenden Drones, dumpfen Echo-Chören, flackernden Störsignalen und minimalistisch eingesetzten Synthesizerflächen, die sich wie Nebelschwaden durch das Gehör des Zuhörers winden. Anstatt klassischer Harmonien dominieren hier unauflösbare Spannungen, die ein Gefühl von Ortlosigkeit erzeugen – als würde man durch einen metaphysischen Raum treiben, ohne Hoffnung auf Rückkehr.
Einflüsse und Referenzen
Die Referenzen an H.P. Lovecraft sind nicht nur im Titel offensichtlich, sondern durchziehen das gesamte Stück in Atmosphäre und Struktur. Auch filmische Einflüsse wie David Lynchs „Twin Peaks“ oder die erste Staffel von „True Detective“ sind in der dichten, surrealen Textur von „Shub-Niggurath“ hörbar. Dabei gleicht das Stück einer akustischen Version des „Black Lodge“ – einem Ort außerhalb von Raum und Zeit, der von irrationaler Bedrohung und hypnotischer Anziehung zugleich geprägt ist.
Musikalisch erinnert das Werk auch an Künstler wie The Kilimanjaro Darkjazz Ensemble – insbesondere in der Art, wie dunkle, jazzige Strukturen in abstrakte Ambient-Sphären überführt werden. Cactus Erectus geht jedoch noch einen Schritt weiter in Richtung Abstraktion und opfert zugunsten der Atmosphäre jegliche rhythmische Konvention.
Keine Musik für Tanzflächen
Wer bei „Shub-Niggurath“ nach einem Beat, einer Hookline oder irgendeiner Form traditioneller musikalischer Struktur sucht, wird enttäuscht. Doch genau hier liegt die Stärke der Komposition: Sie entzieht sich bewusst jeder Eingängigkeit und zwingt den Hörer, sich auf eine tiefere, kontemplativere Art mit dem Klang auseinanderzusetzen. Die Single fordert – aber sie belohnt. Wer sich auf das Stück einlässt, durchschreitet ein rituelles Tor zu einer anderen Realität.
Fazit: Zwischen Ritual, Traum und Wahnsinn
Mit „Shub-Niggurath“ beweist Cactus Erectus erneut seine Ausnahmestellung innerhalb der Dark Ambient-Szene. Die Single ist weniger ein Song als vielmehr ein akustisches Artefakt, das an den Grenzen der Realität kratzt. Es ist die Vertonung eines Albtraums, eines kosmischen Schreis im Vakuum – verstörend, faszinierend, unvergesslich.
„Shub-Niggurath“ ist kein Stück für nebenbei. Es ist ein Werk, das gehört, gespürt und durchlitten werden will – ein Soundtrack für das Unaussprechliche. Wer mutig genug ist, sich auf diese Reise einzulassen, wird mit einer einzigartigen Klangwelt belohnt, die sich irgendwo zwischen Weltraum, Wahnsinn und künstlerischer Vision entfaltet.
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