„Against The Odds, Because We’re Gods“ meldet sich wie ein Fanfarenstoß: selbstbewusst, laut und unmissverständlich. Schon der Titel ist Programmatik; er verheißt Sieg, bevor überhaupt ein Akkord erklingt. Die Kanadier von Hot Apollo kreieren damit eine Klangkulisse, die sowohl Hymne als auch Provokation ist. Von Beginn an schlägt der Opener „We’re Hot Apollo“ eine Schneise aus sägezahnartigen Gitarrenriffs und einem Bass, der schlängelt, als hätte er Funk im Blut. Der selbstreferenzielle Text propagiert Identitätsstolz ohne falsche Bescheidenheit, während Frontmann Jaymes Buckman in kehligen Phrasen das Kunststück vollbringt, Arroganz als Tugend erscheinen zu lassen.
Punk als Glamourlabor
Die Handschrift der Produktion stellt eine Gratwanderung dar: Rohheit wird zugelassen, doch jedes No-Filter-Moment wird mit gezielten Studioideen verklebt. In „Slayance“ mischt ein dezent übersteuertes Saxofon zitronenscharfe Akzente unter das Gitarrengeschrammel. Hier klingt Hot Apollo zugleich nach New-Yorker Loft-Avantgarde und nach Garage in Vorstadtlage. Das Ergebnis: Ein Stück, das sich frech über Genregrenzen hinwegsetzt, ohne das zentrale Punk-Gerüst preiszugeben.
Der dritte Titel „So Toned Up“ erklärt mit peitschender Snare und pumpendem Fuzz, dass Aggressivität und Tanzlust koexistieren dürfen. Während der Refrain wie ein Mantra „Up, up, up!“ skandiert, fegt ein abgerissener Gitarrenlauf alles kurz und klein. Die anziehende Unordnung ist kalkuliert: Breaks treten an Stellen auf, an denen man sie nicht erwartet, doch sie wirken stets sinnvoll, als wollten sie bewusst Leerstellen freihalten, damit die Zuhörenden eigene Assoziationen einsetzen können.
Lyrik zwischen Straßenschmutz und Sagenglut
Buckmans Texte begegnen den Widersprüchen des modernen Alltags, indem sie alltägliche Bilder mit mythologischen Splittern kreuzen. Ein Paradebeispiel ist „Gjallarbru“. Der Song zitiert die Brücke aus der nordischen Unterwelt, legt jedoch gleich darauf Zeilen über Großstadtampeln und spiegelnde Schaufensterfronten. Das mag zunächst gegensätzlich wirken, doch es führt zu einer Metaebene: Mythos pulsiert inmitten des Neonlichts fort, wenn man nur genau hinsieht.
In „Beltane“ wird der keltische Frühjahrsritus zur allegorischen Entzündung individueller Tatkraft. Tribal-Toms, eine rußige Orgelspur und Buckmans Stimme, die zwischen Flüstern und Schreien changiert, formen ein Ritual, das seine Faszination aus der Spannung zwischen sakraler Feier und urbaner Realität bezieht. Die Zeile „Ashes stain the wristwatch, hours blaze anew“ illustriert, wie meisterhaft hier sprachliche Bilder zünden.
Architektur des Albums
Die Trackreihenfolge erzeugt eine dramaturgische Kurve, die mehr ist als das bloße Nebeneinander starker Einzelstücke. Nach dem Sturm von „So Toned Up“ fällt „Priorities“ in einen fast balladesken Modus zurück. Sanft modulierte Gitarrenflächen und ein verwaschenes Glockenspiel eröffnen Raum zum Nachdenken, bevor ein plötzlicher Bassdrum-Kick die kontemplative Stimmung zerreißt. Dieses Wechselspiel aus Ruhe und Erschütterung zieht sich wie ein roter Faden durch die restliche Platte.
Die Mitte markiert „Words“ – ein Spoken-Word-Ekelpaket, das Sprache zugleich feiert und zerlegt. Ein verzerrtes Delay wirft einzelne Silben zurück, sodass Buckman manchmal mit sich selbst in Streit gerät. Die Zeile „Sentences are serpents; they coil to strike or to hug“ bringt das Dilemma menschlicher Kommunikation ungeschönt auf den Punkt.
Danach bricht „Stop Drop“ herein, ein vermeintlicher Dance-Floor-Brecher, dessen Disco-Hi-Hats plötzlich durch Sirenen und Feedback aufgerissen werden. Die irritierende Zäsur verhindert jede bequeme Konsumhaltung und zwingt dazu, die Botschaft zwischen den Fragmenten zu suchen.
Verweigerung der Dauerpose
Statt sich in einer ungebrochenen Heroik gemütlich einzurichten, reflektiert das letzte Drittel des Albums Unsicherheit und Verletzbarkeit. „Priorities“ stellt die Frage, welchen Preis Selbstbehauptung fordert; „Words“ entlarvt die Tücke der Rhetorik; und das abschließende „Never Stay Down“ präsentiert Resilienz als brüchigen, jedoch unverzichtbaren Akt. Die musikalische Umsetzung spiegelt diese Erkenntnis: Drums hallen hohl, Gitarren warten mit zwangsläufigem Zittern ab, bevor sie wieder ausbrechen.
„I spit the dust, but dust glitters loud“ lautet eine Schlüsselsilbe des Closers. Hier löst Hot Apollo das Album-Credo ein: das Weitermachen trotz sämtlicher Widerstände. Die Zeile ist zugleich Resümee und Morgenstern, der in Zukunft weist, ohne veraltete Durchhalteparolen zu bemühen.
„Against The Odds, Because We’re Gods“ bündelt neun Stücke, die Punk nicht bloß als Stil, sondern als gedankliche Haltung begreifen. Hot Apollo integrieren Glam-Schimmer, Funkspritzer und Art-Rock-Verstiegenheit, verlieren aber nie den knochentrockenen Kern. Jeder Song ist eigenständig, doch alle tragen ihren Teil zur übergeordneten Aussage bei: Selbstermächtigung entsteht dort, wo Brüche, Makel und Momente der Fehlbarkeit zugelassen werden.
Die Produktion belässt Kanten, doch arrangiert sie in einem Panorama, das man genau abtasten will. Instrumentenspuren wurden bewusst gelegentlich übersteuert, um die Rauheit zu konservieren, während das Mastering genug Headroom lässt, damit leisere Passagen atmen können. Dieser Mut zur Dynamik verleiht der Platte jene Sogwirkung, die sie von vielen zeitgenössischen Produktionen abhebt.
Ohne auf effekthascherische Attitüden zurückzugreifen, zeigt sich Hot Apollo als Formation, die das Gewicht der eigenen Geschichte kennt und doch unentwegt nach vorne strebt. Die Mischung aus gehobener Poesie, ungeschliffenem Sound und stilistischer Offenheit verleiht „Against The Odds, Because We’re Gods“ Relevanz über die Punk-Szene hinaus.
Unser Fazit:
Triumph ohne Abziehbildpathos
Wer nach einem Album sucht, das Haltung nicht nur beschwört, sondern in jedem Takt verwirklicht, findet hier eine Blaupause. Hot Apollo erheben sich nicht durch makellose Perfektion, sondern durch die kompromisslose Behauptung der eigenen Unvollkommenheit. Gerade darin liegt ihre Stärke: ein Statement, das Widerstände nicht ausblendet, sondern in Kraft umwandelt – gegen alle Chancen, weil sie sich selbst als Schöpfer ihres Schicksals verstehen.
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